Was ist eigentlich Content Marketing?

Ein wenig habe ich schon geschmunzelt als ich bei Andreas Quinkert die Mitteilung über den Aufruf zur Blogparade von Robert Weller las. Content Marketing. Menschen, die beruflich nichts mit Marketing zu tun haben, dürften bei dem Begriff schon die Ohren klingeln. Ist es doch schönster Marketing-Sprech und das bedeutet gemeinhin, mit englischen Begriffen für im Deutschen eher unsexy klingende Themen um sich zu werfen. Gefühlt handelt es sich bei Content Marketing um ein weiteres mehr oder weniger neu erfundenes Buzzword, welches jetzt – wie im Marketing üblich – ordentlich penetriert wird. Bis auch der Letzte entweder verwirrt oder aber übersättigt ist. Oder beides. Schmunzeln ließ mich die Vorstellung, dass Marketeers das Thema Relevanz für sich entdeckt zu haben scheinen. Ging es Jahrzehnte lang vornehmlich um Aufmerksamkeit, Penetration, Reichweite und Call to action heißt es nun plötzlich „relevanter Inhalt steht über allem“.

Nutzwert für User bieten

„Ach was“, sagt an dieser Stelle die langjährige Journalistin in mir etwas Achsel zuckend. Jeder gute Journalist weiß, dass die Geschichte für seine Zielgruppen relevant sein muss. Damit steht und fällt alles. Und alles ist dem nachgelagert. Sprich: der Rest ist Handwerk. Und auch in der modernen PR wird wohl niemand erschrocken vom Stuhl aufspringen, wenn jemand sagt, dass die Zielgruppenrelevanz der Inhalte der Casus Knacktus ist. Nur wenn die Zielgruppen einen Mehrwert erkennen, werden sie sich gern mit den Inhalten beschäftigen. In der PR geht es seit jeher darum, sinnvolle „Aufhänger“ zu finden, um Geschichten zu erzählen und auf diese Weise Beziehungen zu den Stakeholdern aufzubauen und ein positives Unternehmensimage in deren Köpfen entstehen zu lassen. Und jenes muss keineswegs nur über Text erfolgen. Vor diesem Hintergrund wird Content Marketing für eingefleischte PRler vermutlich alter Wein in neuen Schläuchen sein.

Was ist denn nun Content Marketing genau?

Nimmt man Content Marketing wörtlich, so geht es darum, Inhalte zu vermarkten bzw. mit Inhalten zu vermarkten. Und genau da ist aus meiner Sicht der entscheidende Punkt. Geht es vornehmlich um Absatz und sind die Inhalte also nur Mittel zum Zweck, um charmanter als mit platten Marketingbotschaften und mit Interaktion statt Penetration einen Kaufimpuls auszulösen? Wenn jenes das Ziel ist, dann bedient sich Marketing hier des journalistischen und PR-Handwerkszeugs anstelle von Werbung. Aus Sicht der Marketingverantwortlichen ist es also in der Tat ein Novum. Statt geradlinig Produktvorteile in Kundennutzen zu übersetzen werden Kunden nun in ihrer Erlebniswelt mit relevanten Inhalten konfrontiert, die nicht vordergründig etwas mit der absendenden Marke zu tun haben müssen. Die Marke sagt also nicht mehr penetrant „kauf mich“, sondern hält sich als Absender dezent im Hintergrund.

Aus Sicht der Public Relations, die seit jeher mit diesem stilistischen Mittel arbeiten, ist Content Marketing auf den ersten Blick also berechtigt nichts Neues und schmeckt nach altem Wein in neuen Schläuchen. PR ist längst im Social Web angekommen und pflegt dort den Dialog mit den Zielgruppen, stößt Diskussionen an, schafft Anreize für Interaktionen und evaluiert den Erfolg. Dennoch geht es bei PR um Beziehungsaufbau und –pflege, um Reputationssicherung und Imagepflege. Und genau dieser Kontext macht den Unterschied bei recht ähnlichem handwerklichem Tun. Egal, ob ich durch die Marketing- oder durch die PR-Brille schaue: es geht um Inhalte (in Form von Stories, Blog Posts, Podcasts, Vodcasts, Ebooks, Infografiken etc. pp), es geht um Sichtbarkeit, es geht um Interaktion.

Nüchtern betrachtet scheint „Inhalt“ im Marketing Mittel zum Zweck zu sein, in der PR wohl eher eine Haltung. Der Unterschied liegt in der Intention und in der Einstellung, nicht in der Umsetzung oder im Ergebnis.

Warum Spartendenken eher hinderlich ist

Nun bin ich eher ein Freund von „sowohl als auch“ als von „entweder oder“. Insofern betrachte ich Content Marketing lieber aus Sicht einer ganzheitlichen Unternehmenskommunikation. Hier sollten die strategischen Entscheidungen fallen und die Pflöcke eingeschlagen werden. Hier fallen idealerweise die Entscheidungen, welche Unternehmensziele mit welchen Disziplinen und Instrumenten am besten zu erreichen sind. Hier fallen idealtypisch die Entscheidungen, wie die Marke kommuniziert, welche Vorstellungswelten sie erschafft und welche Geschichten sie dazu erzählt.

So gesehen ist Content Marketing also auch so etwas wie eine Metadisziplin, die in der Unternehmenskommunikation angesiedelt ist. Sie entscheidet, wann das Marketing zum Einsatz kommt oder wann die PR die Kommunikationskanäle bespielt und in welchen Fällen beide gemeinsam an einem Strang ziehen.

Und obwohl integrierte Kommunikation nun seit Beginn der 1990er Jahre an den Fachhochschulen und Universitäten gelehrt wird, hat sich nach meiner Beobachtung dieser Gedanke in der Praxis noch nicht flächendeckend durchgesetzt. Häufig herrscht weiterhin Sparten- und Silodenken vor, gibt es Gerangel um Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten. Im Mittelstand fehlt Kommunikationskompetenz inhouse häufig ganz und nicht selten wird die Kommunikation nach außen von einer Werbeagentur betreut. Hierin sehe ich die größte Herausforderung.

Harriet Lemcke Über Harriet Lemcke
Harriet Lemcke ist Beraterin, Trainerin und Interim Managerin für Unternehmenskommunikation und Organisationsentwicklung und hat langjährige Erfahrung in der internen & externen Kommunikation sowie im Journalismus. In ihrer Arbeit verbindet sie moderne Ansätze in PR und Marketing mit Methoden und Ansätzen aus der Managementlehre und der systemischen Beratung. Sie unterstützt dabei, die Qualität und Effizienz von Kommunikationsprozessen zu verbessern und Ressourcen optimal einzusetzen. Sie haben ein Thema und wollen neue Impulse? Nehmen Sie jetzt Kontakt auf! Zum Beratungsangebot

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