In fast jedem Team, auf jeder Party und in jedem Netzwerk gibt es mindestens einen von ihnen: Lautsprecher. Menschen also, die gewaltig das Gefieder plustern, sich in Szene setzen und auf Teufel komm raus Eindruck hinterlassen wollen. In lässig-provokanter Körperhaltung reden sie gern und lange über das, was sie besonders und anders macht, ihre Erfolge und die Stationen ihres Schaffens. Sie erfreuen sich daran, die Entgegnungen anderer leicht belehrend schlagfertig zu parieren und das letzte Wort zu haben. Schließlich sind sie die Experten und lassen andere nur allzu gern an ihrer überbordenden Kompetenz teilhaben.
Wer Dialog anstrebt, muss zuhören lernen
Vor wenigen Stunden konnte ich im Feldversuch einen solchen Lautsprecher in Aktion beobachten: auf einer Netzwerkveranstaltung. Mit provokantem Blick, einem verschmitzten Lächeln und dynamisch-wippender Pose gesellte er sich zu unserer Stehtischgruppe, welche gerade angeregt über aktuelle Marktentwicklungen diskutierte. Nur wenige Minuten vergingen, bis er das erste Schlagwort aufschnappte, sofort aufgriff, sich zu Wort meldete. Ungefragt klärte er uns darüber auf, dass unser Selbstverständnis der Kommunikationsdisziplinen völlig antiquiert sei und nicht dem Zeitgeist entspräche. Er hingegen bringe Dinge auf den Punkt, hätte die Gesamtheit aller Informationen, könne Themen disziplinübergreifend denken und managen und verkörpere damit die moderne Version dessen, was wir in „unserem Denken aus den 1980er Jahren“ noch unter völlig anderen Begrifflichkeiten verorten würden.
Die eigentliche Unterhaltung pausierte, die umstehenden Gesprächsteilnehmer schienen leicht irritiert zu überlegen, ob sie amüsiert oder pikiert auf diese Lehrstunde reagieren sollten oder aber den Lautsprecher einfach versuchen sollten zu ignorieren. Letzteres jedoch schien aufgrund der provokant-wippenden Körperhaltung und des nicht enden wollenden Redeschwalls nahezu unmöglich. Kein Wunder, dass die Runde erleichtert aufatmete, als sich der Lautsprecher entfernte, um weitere Gäste auf seine ganz eigene Art zu unterhalten.
Der Gesamteindruck entscheidet
Image entsteht in den Köpfen anderer und ist ein Gebilde aus vielen Einzelwahrnehmungen. Jemanden zu SAGEN, dass man selbst toll, kreativ, allwissend und erfahren ist, sorgt also nicht automatisch dafür, dass man sein Selbstbild in die Köpfe von anderen bringt. Schon gar nicht, wenn der eigene Auftritt die verbalen Botschaften konterkariert. Kein Wunder also, dass die Gäste der Veranstaltung den Lautsprecher nicht als absoluten Experten auf seinem Gebiet, sondern als unangenehm und aufdringlich empfanden und mir selbst zwei Stunden später in einem sich zufällig entwickelnden Gespräch sofort ans Herz gelegt wurde, jenen Gast doch besser zu meiden. Was war passiert? Wie ein Werbeblock in einen spannenden Thriller war der Lautsprecher in die Gespräche der Gäste geplatzt und hatte seine Botschaften und Lobgesänge ungefragt und in einer als unpassend empfundenen Tonalität platziert.
Vom Unterschied zwischen Werbung und PR
Im Unterbewusstsein der Gäste lief ein Automatismus ab: der Lautsprecher wurde sofort als „Werber“ verortet, dessen Botschaften Reklame sind und ungefragt auf die Empfänger niederprasseln. Ehrliches Interesse am Gegenüber, Beziehungsaufbau und –pflege gar? Fehlanzeige! Auch, wenn der Lautsprecher sich selbst als „Herrscher über die Gesamtheit der Informationen“, Genie in Sachen psychologischer Kundenansprache und allwissend in Sachen PR („…das sind allenfalls Schreiber, ich bin seit Jahren auch immer mal in der PR unterwegs und weiß, wie dort gearbeitet wird…“) positionierte, war das Fremdbild, welches sein Auftritt in den Köpfen der Gäste erzeugte, genau entgegengesetzt.
Die Konsequenz: auch, wer die Diskrepanz zwischen Worten und Wahrnehmung nicht erklären konnte, nahm den Lautsprecher als „irgendwie unangenehm“ wahr. Wohl keiner der anwesenden Gäste würde diesem Mann die Kompetenz zusprechen wollen, strategisch und ganzheitlich am langfristigen Aufbau von Beziehungen und Imagepflege zu arbeiten. Genau das ist jedoch die Aufgabe von PR und Zuhören die Voraussetzung dafür, identitätsbasierte Kommunikation zielgruppengerecht anzustoßen und zu führen. Der Lautsprecher hat mit seinem Auftritt bestätigt, was der deutsche Unternehmer und Bankier Alwin Münchmeyer als Definition von PR bereits vor einigen Jahrzehnten sehr treffend in Worte fasste:
„Wenn ein Mann einer Frau sagt, wie toll er ist, dann ist das Reklame.
Wenn ein Mann einer Frau sagt, wie toll sie ist, dann ist das Werbung.
Wenn eine Frau sich für einen Mann entscheidet, weil sie von anderen gehört hat, wie toll er ist, dann ist das PR.“
Ergänzend könnte es an dieser Stelle auf die aktuelle Begegnung bezogen heißen: Wenn sich ein potenzieller Auftraggeber nicht für einen Lautsprecher entscheidet, weil er von anderen gehört hat, wie unangenehm er wirkt, dann war das schlechte Eigen-PR.
Über Harriet Lemcke
Harriet Lemcke ist Beraterin, Trainerin und Interim Managerin für Unternehmenskommunikation und Organisationsentwicklung und hat langjährige Erfahrung in der internen & externen Kommunikation sowie im Journalismus. In ihrer Arbeit verbindet sie moderne Ansätze in PR und Marketing mit Methoden und Ansätzen aus der Managementlehre und der systemischen Beratung. Sie unterstützt dabei, die Qualität und Effizienz von Kommunikationsprozessen zu verbessern und Ressourcen optimal einzusetzen. Sie haben ein Thema und wollen neue Impulse? Nehmen Sie jetzt Kontakt auf!
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