Wie inzwischen viele Unternehmer auch in Deutschland mitbekommen haben, kaufen die Kunden bei Ihnen nicht, weil sie so gerne Geld ausgeben, sondern weil sie sich erhoffen, dass Ihre Leistung ein Bedürfnis der Kunden befriedigt bzw. ein Problem löst.
In der Betriebswirtschaftslehre wird oft auf die Bedürfnispyramide nach Abraham Maslow eingegangen. Diese Pyramide zeigt die Reihenfolge, in der Menschen gewöhnlich ihre Bedürfnisse priorisieren.
So wird Selbstverwirklichung erst interessant, wenn grundlegende Bedürfnisse erfüllt sind.
Der Nutzen der Bedürfnispyramide für den Unternehmer, der sein Angebot beschreiben will, ist allerdings begrenzt. Hier kann der Unternehmer nur erkennen, wie dringlich die Kunden sein Angebot finden werden.
So liegt es in der Natur der Sache, dass ein Großhandel für Grundnahrungsmittel krisenfester ist als der Einzelhandel mit diamantbesetzten 2-Meter-Prozellaneiern.
„Schatz, wir müssen vor den Hunnen fliehen. Was sollen wir einpacken, Brot oder das große Porzellanei?“
Naturgemäß sind die Märkte am unteren Ende der Pyramide brutal umkämpft. Jeder will in diese Märkte eindringen, weil die Bedürfnisse der Kunden zwingend sind und somit permanentes Business garantieren .
Praktisches Modell zur Kategorisierung von Bedürfnissen
Ich stelle heute ein alternatives Modell vor, nach denen man Bedürfnisse kategorisieren kann und gehe ein auf praktische Umsetzungsmöglichkeiten, die Sie in Ihrer Unternehmenskommunikation nutzen können.
Dieses Modell lernte ich einst auf einem Vortragsabend von Jason Franklin-Stokes. Ich weiß nicht, woher er es hat. Im Gegensatz zur Maslowschen Bedürfnispyramide weist das Modell zwei Merkmale auf:
- Alle Bedürfnisse sind gleichrangig.
- Das Bedürfnis nach Überleben ist erfüllt. Beide Modelle funktionieren nur in einem Umfeld, in dem das körperliche Überleben auch nicht dauerhaft in Frage steht.
In diesem Artikel stelle ich die Bedürfnisse des Modells vor. Zu jedem Bedürfnis liefere ich:
- eine Erklärung
- Beispiele
- Anregungen, wie Sie das Bedürfnis in Ihrer Unternehmenskommunikation nutzen können.
Für Sie als Unternehmer ist es hilfreich, erst einmal zu wissen, wegen welcher Bedürfnisse die Kunden zu Ihnen kommen bzw. welche Sie am besten erfüllen können. Danach können Sie Ihre Unternehmenskommunikation gestalten.
Im Laufe des Artikels finden Sie Tortendiagramme darüber, wegen welcher Bedürfnisse Kunden bestimmte Leistungen in Anspruch nehmen – hier am Beispiel Controlling- und PR-Beratung. Die Prozentwerte zu Controlling-Beratung stammen aus meiner eigenen Erfahrung, die anderen Werte sind Schätzungen.
Die sechs Bedürfniskategorien, gelernt von Jason Franklin-Stokes
Die sechs Bedürfniskategorien sind:
- wichtig fühlen
- sicheres Umfeld
- Gesundheit, länger leben
- mehr / besserer Sex
- mehr herausholen
- Gruppenzugehörigkeit
Kategorie 1: Wichtig fühlen
Erklärung: Dies ist das Bedürfnis, wahrgenommen zu werden, einen gewissen Status zu haben, ernst und wichtig genommen zu werden.
Beispiele: Einerseits Luxusartikel, Edelmetalle, alles was „wichtig“ aussieht. Teure Schreibgeräte, teure Autos, Premium-Segmente aller Art. Auf niedrigerem Niveau aber auch der Wunsch, schlicht gesehen zu werden.
Anwendungsmöglichkeiten für Sie: Abgesehen davon, dass Sie natürlich Ihre Kunden ernst nehmen und auf Anfragen zeitnah reagieren, können Sie für Ihr Angebot oder Angebotssegment entsprechende Farben und Symbole verwenden.
Je nachdem, WIE wichtig sich der Kunde fühlen soll, sind natürlich Goldfarben ansprechend sowie Siegel und Wappen. Um dem Kunden das Gefühl zu geben, er würde wichtig genommen, hilft es, wenn Sie ihn auch tatsächlich wichtig nehmen. Sie kennen sicher auch die Telefon-Warteschleifen, in denen eine Stimme vom Band 90 Minuten lang immer wieder sagt, wie wichtig man Ihren Anruf nimmt, bis Sie entweder aus der Leitung fliegen oder zu jemandem durchgestellt werden, der speziell ausgebildet wurde, das höchstmögliche Maß von Desinteresse in seine Stimme zu legen…
Kategorie 2: Sicheres Umfeld
Erklärung: Der Wunsch, geschützt vor Schmerzen und Angriffen zu sein sowie vor Ärger jeglicher Art.
Beispiele: Alarmanlagen, Sicherheitsschlösser, Sicherheitsdienste, Versicherungen. Außerdem alles, was die betreffende Person vor Ärger mit dem Staat oder mit Vorgesetzten schützt, indem Gesetze und Vorgaben eingehalten werden.
Anwendungsmöglichkeiten für Sie: Eine Möglichkeit sind beruhigende Farben wie Dunkelblau und mittlere Grautöne. Der Tonfall ist tendenziell beschwichtigend und beruhigend, die Kommunikation vermittelt die Kompetenz zu beschützen.
Eine tiefergehende Analyse hat z.B. ergeben, dass meine Dienste als freiberuflicher Controller am häufigsten auf Grund dieses Bedürfnisses in Anspruch genommen wurden. Manager wollten sich schützen und absichern, Konzerne wollten die Einhaltung des KonTraG nachweisen (Gesetz zu Kontrolle und Transparenz in Großunternehmen).
Kategorie 3: Gesundheit, länger leben
Erklärung: Wunsch nach Gesundheit sowie längerem und erfüllterem Leben.
Beispiele: Fitness, Ernährung, Medizin, Pharmazie, Wellness.
Anwendungsmöglichkeiten für Sie: Wenn Sie in diesem Umfeld tätig sind, dann sind Sie ohnehin bereits spezialisiert. Frische Farben, lebendige Gelbs und Grüns vermitteln die passende Stimmung.
Kategorie 4: Mehr / besserer Sex
Erklärung: Männer suchen tendenziell nach mehr Sex, Frauen tendenziell nach besserem.
Beispiele: Einerseits werden viele Produkte mit Sex beworben, darunter Ersatzteile für Autos (passt ja: hart und schmutzig!). Zum anderen gibt es die Schiene der Ratgeber zum Thema Aufreißen, Vaginalorgasmus, G-Punkt-Massage, usw.
Anwendungsmöglichkeiten für Sie: Es ist eine sehr billige Sache, Rasierwasser, Parfum oder Kleidung über Sex zu bewerben. Die meisten Leute haben auch mitgekriegt, dass sie das heiße Model nicht bekommen, nur weil sie sich die neueste Chemikalie ins Gesicht klatschen. Die Wirkung ist also wahrscheinlich gering.
Wenn Sie wirklich legitim etwas zum Thema beizutragen haben, wie etwa Susan Bratton von Personal Life Media, dann gibt es dazu mehr zu sagen als in diesen Artikel passt.
Kategorie 5: Mehr herausholen
Erklärung: Alles, was Zeit oder Geld spart oder mehr wirtschaftlichen Gewinn bringt.
Beispiele: Fast jedes Angebot heutzutage hat Aspekte von Gewinn an Zeit oder Geld; deswegen werden Tätigkeiten delegiert oder Hilfsmittel eingekauft.
Anwendungsmöglichkeiten für Sie: Hier ist es besonders wichtig, dass Sie herausarbeiten, an welcher Stelle der Kunde bei Ihnen tatsächlich Ressourcen spart. Und zwar so, dass die Argumentation wirklich belastbar ist.
Sofern Sie eine Einsparung wirklich belastbar und tatsächlich anbieten können, wird es für Ihre Kunden schwierig, nicht zu kaufen. Sehr viele Einsparungen sind allerdings nur Behauptungen oder sorgen dafür, dass Kosten verschoben werden und dass z.B. eine Abteilung des Unternehmens Geld spart, eine andere dafür aber deutlich höhere Kosten hat. Ein schlauer Controller wird Ihnen da auf die Schliche kommen. Überlegen Sie also bitte vorher, ob tatsächlich eine Ersparnis für den Kunden stattfindet.
Kategorie 6: Gruppenzugehörigkeit
Erklärung: Die meisten Menschen wollen irgendwo dazugehören.
Beispiele: Clubs, Vereine, Mitgliedskarten, Internet-Foren, Modeströmungen.
Anwendungsmöglichkeiten für Sie: Für viele Angebote spielt Gruppenzugehörigkeit gar keine Rolle. Es kann aber helfen herauszufinden, ob Ihre Kunden sich als Gruppe verstehen , wie z.B. viele Nutzer von Apple-Produkten, aber auch Nutzer des Betriebssystems Linux. Viele Fans der Band KISS oder der Greatful Dead empfinden sich als globale Familie.
Haben Ihre Kunden ein Selbstverständnis, mit dem sie sich von anderen Gruppen abgrenzen? Falls ja, sprechen Sie dieses Selbstverständnis direkt an und nutzen Sie es für eine produktive Beziehung mit Ihren Kunden. Sprechen Sie mit so vielen Kunden wie möglich, um Gemeinsamkeiten herauszufinden. Arbeiten Sie dabei auch heraus, ob Ihre Kunden sich als Gruppe verstehen.
Fazit:
Generell: Je mehr Sie über Ihre Kunden und Ihre Zielgruppe wissen, desto gezielter können Sie Ihre Botschaften adressieren. Dabei helfen Ihnen jegliche Analyse-Werkzeuge, die Sie finden können . Unter anderem eben auch die Frage, welche Bedürfnisse Ihre Kunden erfüllt haben möchten. Hierzu gibt es z.B. Marktstudien oder auch den Beistand eines erfahrenen Beraters. Viel Erfolg!
Über Alexander Meneikis
Alexander Meneikis, Jahrgang 1969, Betriebswirt, Controller, Dozent, Autor. Nicht verheiratet, aber solide domestiziert. Hobby-Musiker und lesesüchtig. Im Netz unter www.vertriebscontroller.com und www.rechnungswesenlehrer.de zu finden.
Ersatzteile für Autos und Sex: Hart und schmutzig, LOL!
Danke für den Link zu Susan Bratton.