Stimmige Kommunikation: in wenigen Schritten zu glaubwürdigen Botschaften

Hand aufs Herz: Kommunikation ist gar nicht so leicht. Und manch eine kreative Kampagnenidee, die Sie als Unternehmer bei der Präsentation Ihrer Marketing-Mitarbeiter oder Ihrer Agentur total gelungen fanden, ist Ihnen ganz plötzlich schrecklich peinlich. Nämlich dann, wenn Ihre Mitarbeiter eher mit den Augen rollen als in die Hände klatschen und ein: „Was die vom Marketing sich da wieder ausgedacht haben“ über die Flure raunen. Und auch dann, wenn die Kampagne ausgerollt und von anderen in Null Komma Nichts verrissen wird (ein recht anschauliches Beispiel hierfür habe ich in meinem Beitrag „Wie Sie sich vor kreativem Wahnsinn schützen“ beschrieben).

Beispiele dafür, wie Kommunikation gründlich in die Hose geht, gibt es unzählige. Und ebenso viele Gründe. Natürlich kann und will ich die an dieser Stelle nicht alle aufzählen und erläutern. Vielmehr werde ich mich in diesem Beitrag auf einen Grund konzentrieren – einfach, weil dieser gravierend und zudem weit verbreitet ist. Und Sie werden erfahren, wie Ihnen ein Modell aus der Soziologie und Psychologie helfen kann.

Die Sache mit dem Selbstbild und dem Fremdbild

Die teuerste, aufwändigste und kreativste Kampagne fürs Image oder Employer Branding nutzt Ihnen absolut gar nichts, wenn man sie Ihnen nicht abkauft. Und das passiert in aller Regel immer dann, wenn das, was Sie über sich transportieren wollen nicht so ganz zu dem passt, wie Sie bzw. Ihr Unternehmen von anderen wahrgenommen wird.

In Strategieworkshops stelle ich fest, dass Menschen meistens ein recht klares Selbstbild haben – das gilt für Selbstständige ebenso wie für Verantwortliche von Unternehmen. Und eben jenes findet sich häufig (gefühlt erschreckend ungefiltert) in Positionierungen, Leitbildern und in den Beschreibungen auf Webseiten wieder, gern um die SOLL-Komponenten ergänzt. Da stehen dann Dinge wie:

„Wir sind ein moderner Hersteller von xy. Bei uns steht der Kunde stets im Mittelpunkt.“
„Als innovatives Unternehmen der xy-Branche bieten wir Ihnen moderne Arbeitszeitmodelle und gute Karrierechancen.“
„Ich bin der führende Berater für xy und bekannt dafür, dass ich Klartext rede.“

Dumm nur, wenn Unternehmen 1 zum Beispiel einen Kundenservice hat, der den Kunden warten lässt oder versetzt und Unternehmen 2 in einem etwas abgerockten 1970er-Jahre-Bau im dünn besiedelten Flächenland weit entfernt von der nächsten Großstadt residiert. Oder der führende und geradlinige Berater gern mal mehr und mal weniger laut hinterrücks über andere lästert.

Dann passt da etwas nicht zwischen Darstellung und Wahrnehmung, zwischen Selbstbild und Fremdbild. Und nicht selten ist den Absendern das gar nicht bewusst. Sie haben einen blinden Fleck.

Wie Sie das Johari-Fenster für Ihre Unternehmenskommunikation nutzen können - pr-perlen.deDas Johari-Fenster und wie Sie es für eine gelungene Unternehmenskommunikation nutzen können

Mit dem Johari-Fenster sind Sie sicher schon auf die eine oder andere Weise in Berührung gekommen. Dieses Modell wurde in den 1950er Jahren von den beiden amerikanischen Sozialpsychologen Joseph Luft und Harry Ingham entwickelt. Im Coaching wenden wir Berater es gern in der Arbeit mit Führungskräften an. Es eignet sich sehr gut, wenn es zum Beispiel darum geht, transparent zu machen, warum eine Führungskraft mit den Mitarbeitern nicht so erfolgreich wie gewünscht kommuniziert.
Dem Johari-Fenster liegt die Grundannahme zugrunde, dass das, was über eine Person öffentlich bekannt ist, nur ein kleiner Teil des Gesamten ist, der wesentlich größere Teil jedoch geheim oder unbekannt. Das können Sie sich wie einen Eisberg vorstellen, dessen Spitze oberhalb des Wassers ist, während sich der größte Teil der Masse unterhalb der Wasseroberfläche befindet (siehe dazu auch Eisbergmodell). Das Johari-Fenster unterteilt sich dabei in vier Bereiche:

Öffentlich
Dieser Teil ist einer Person selbst und anderen bekannt ist. Der Teil also – die die Anteile der Persönlichkeit – den eine Person nach außen von sich preisgibt.

Geheim
Diesen Teil kennt die Person selbst, macht ihn jedoch nicht für andere zugänglich oder verbirgt ihn aktiv vor ihnen.

Blinder Fleck
Hierunter versteht man alles, was von der Person ausgesendet und von anderen wahrgenommen wird, ohne dass sich die Person dessen bewusst ist. Andere erkennen Charaktereigenschaften, die der Betroffene bei sich selbst nicht erkennt.

Unbekannt
Dieser Teil ist weder der Person, noch anderen bekannt. Man spricht von unenthülltem Terrain.
Beziehungen werden ganz wesentlich vor allem von den nicht-öffentlichen Bereichen bestimmt. Neben äußeren Merkmalen zählen dazu auch innere Eigenschaften, soweit diese nach außen erkennbar hervortreten.

„Man kann nicht nicht kommunizieren“, formulierte einst der geniale Kommunikationswissenschaftler und Soziologe Paul Watzlawick. Absolut alles enthält eine Botschaft. Und wenn die taffe und dynamische Spezialistin aus dem Internet im wahren Leben eher einer grauen Maus als einer Rampensau ähnelt, dann hängt das Bild für die Betrachter erkennbar schief.

So nutzen Sie das Johari-Fenster für die Unternehmenskommunikation

Auch die Beziehungen Ihres Unternehmens zu seinen unterschiedlichen internen und externen Öffentlichkeiten (Neudeutsch: Stakeholder) werden entscheidend von den nicht-öffentlichen Bereichen bestimmt. Mit einem klugen Issues- und Risikomanagement können Sie weitgehend sicherstellen, dass das, was sie vor anderen verbergen wollen, Ihnen so schnell nicht um die Ohren fliegt. Und auch für den Fall der Fälle können Sie sich mit einem Krisenhandbuch, Krisenkommunikationsplänen und entsprechenden Simulationen recht gut wappnen.

Wichtig für eine stimmige Kommunikation ist es, dass Sie Ihrem blinden Fleck eine Sehhilfe verpassen. Das kann schon mal unangenehm sein, ist aber in jedem Falle aufschlussreich. Bevor Sie also zum Beispiel Ihre neue Employer-Branding-Kampagne ausrollen (dass Sie dieses besser nie ohne strategisches Fundament angehen, habe ich in meinem Beitrag „Employer Branding – wo die Arbeitgeberkommunikation im Mittelstand schwächelt“ ausführlich beschrieben), holen Sie sich Feedback und Meinungen anderer ein. Eine Mitarbeiterbefragung kann dabei ebenso aufschlussreich sein wie eine Umfrage unter Geschäftspartnern oder potenziellen Bewerbern. Um Antworten auszuschließen, die unter „soziale Erwünschtheit“ fallen, macht es Sinn, interne Umfragen anonym durchzuführen. Vielleicht installieren Sie hierfür einen Briefkasten, in welchen Ihre Mitarbeiter ihre Fragebögen einwerfen können. So können Sie sicherstellen, dass sie ehrliche Antworten erhalten.
Ebenso macht es Sinn, die eigene Positionierung von Zeit zu Zeit zu überprüfen und dabei externe Meinungen einzuholen. So kommen Sie Ihren blinden Flecken auf die Spur und vermeiden Kommunikationsmaßnahmen, die auf andere wie platte Werbung wirken, weil Ihre Botschaften als Behauptungen verstanden werden, die sich mit der Wahrnehmung anderer nicht vertragen.

Wechseln Sie öfter mal Ihre Agentur!

Zugegeben, das klingt etwas ketzerisch. Wir alle wissen, wie wichtig gute und lange Geschäftsbeziehungen sind. Und ganz sicher schätzen Sie Ihre Agentur, weil diese Ihr Unternehmen quasi blind versteht und sich damit der Briefingaufwand im Laufe der Jahre deutlich reduziert hat. „Wir haben bereits eine Agentur, mit der wir lange und vertrauensvoll zusammenarbeiten“, höre ich häufig von Inhabern oder Marketingverantwortlichen  mittelständischer Unternehmen. Wenn ich jetzt sage: „dann wird es Zeit, dass Sie sich eine neue Agentur suchen“, dann weiß ich, dass ich damit Widerspruch provoziere.

Warum also sage ich das? Weil eine lange und enge Geschäftsbeziehung zwischen Ihnen und Ihrer Agentur zur Folge hat, dass diese ebenso betriebsblind wird wie Sie selbst. Der Vorteil externer Dienstleister, einen unvoreingenommenen externen Blick auf Ihr Unternehmen zu werfen und mit frischen Ideen glaubwürdige Kommunikation zu entwickeln, ist nicht mehr gegeben. Sie haben irgendwann gemeinsame blinde Flecken…

Fazit:

Das Johari-Fenster kann Ihnen helfen, ein ganzheitliches Wahrnehmungsbild von Ihrem Unternehmen oder Ihrer Unternehmerpersönlichkeit zu erhalten. Damit sind Sie in der Lage, stimmige Botschaften zu entwickeln und Ihre Kommunikation glaubwürdig zu gestalten. Ebenso können Sie strategische Entscheidungen treffen, um extern wahrgenommene Schwächen in der Kommunikation aufzugreifen und abzufedern. Wichtig ist, dass Sie offen für externe Wahrnehmungen sind. Wenn Sie sich selbst gern als „moderner Hersteller von xy sehen, bei dem der Kunde stets im Mittelpunkt steht“, dann kann eine Kundenumfrage helfen, einen möglichen blinden Fleck (z. B. nachlässiger, unpünktlicher oder unfreundlicher Kundenservice) sichtbar zu machen. Somit haben Sie die Chance, einerseits den Mangel abzustellen und andererseits in Ihrer Kommunikation stimmigere Botschaften zu entwickeln. Ganz nebenbei erfahren Sie vielleicht, was Ihren Kunden (oder wen auch immer Sie gerade befragen) besonders an Ihrem Unternehmen gefällt. Häufig sind das Eigenschaften, Leistungen o. ä., die Sie selbst gar nicht auf dem Schirm hatten.

Wollen Sie es angehen und Ihre Kommunikation intern oder extern optimieren? Dann nehmen Sie jetzt Kontakt zu mir auf.

Harriet Lemcke Über Harriet Lemcke
Harriet Lemcke ist Beraterin, Trainerin und Interim Managerin für Unternehmenskommunikation und Organisationsentwicklung und hat langjährige Erfahrung in der internen & externen Kommunikation sowie im Journalismus. In ihrer Arbeit verbindet sie moderne Ansätze in PR und Marketing mit Methoden und Ansätzen aus der Managementlehre und der systemischen Beratung. Sie unterstützt dabei, die Qualität und Effizienz von Kommunikationsprozessen zu verbessern und Ressourcen optimal einzusetzen. Sie haben ein Thema und wollen neue Impulse? Nehmen Sie jetzt Kontakt auf! Zum Beratungsangebot

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4 Gedanken zu „Stimmige Kommunikation: in wenigen Schritten zu glaubwürdigen Botschaften“

  1. Wechseln Sie öfter mal Ihre Agentur? Meinen Sie wirklich, dass das nützlich ist? Wir arbeiten mit unserer Agentur seit 11 Jahren und vom Betriebsblindheit haben wir noch nichts gemerkt. Die Kollegen liefern uns immer noch neue Ideen, auf die wir selbst nicht kommen würden. Ich lass mir auch Angebote zukommen, aber bis jetzt war dabei noch nichts, wo ich sagen würde – ja, das würde ich gerne ausprobieren! Und es sind wirklich viele Angebote.
    Ich werde mit Sicherheit die Agentur wechseln, wenn sie nicht mehr die gewünschten Ergebnisse liefern oder ich das Gefühl bekomme, dass ich schlecht betreut werde. Aber nur so wechseln, weil man schon zu lange zusamenarbeitet? Ich finde, das ist keine gute Idee.
    Mit freundlichen Grüßen,
    Helena Zeller

    Antworten
    • Moin Frau Zeller,

      vielen Dank für Ihren Kommentar. Wenn Sie mit Ihrer Agentur zufrieden sind und diese auch nach elf Jahren noch immer einen kritischen externen Blick auf Ihr Unternehmen und frische Ideen hat, dann besteht natürlich kein Grund für einen Wechsel und Sie sind zurecht zufrieden. In der Praxis ist es jedoch häufig so, dass nach einigen Jahren der Zusammenarbeit primär Standards produziert und diese auch kaum mehr hinterfragt werden. Der große Vorteil, der externe Blick von außen, ist sehr häufig nicht mehr gegeben. Ich habe schon mit Agenturen zusammengearbeitet, die von “wir” sprachen, wenn sie über ihren Kunden geredet haben – so sehr dachten sie schon wie der Kunde, hatten alle Befindlichkeiten der Entscheider verinnerlicht und primär Erwartungshaltungen bedient. In einem solchen Stadium gehen auch dem kreativsten Kopf die Ideen aus.

      Herzliche Grüße,
      Harriet Lemcke

      Antworten
  2. Sehr guter Artikel, genau auf den Punkt gebracht. 80 % sind im Internet die “Rampensau” und im Real life das graue Mäuschen. Hier fehlt nicht nur die Authentizität, sehr oft ist das ganze Paket unstimmig. Leider sind die meisten beratungsresistent und arbeiten nach dem Motto: Bisher ist es immer gut gegangen.

    VG, Wolf Hoffmann

    Antworten
    • Moin Herr Hoffmann,

      vielen Dank für Ihr Feedback. Wie die Menschen, so auch die Organisationen. :-) Eine Positionierung und Kommunikation nur aus der Innensicht heraus deckt häufig einfach nicht die Wahrnehmungen der anderen ab. Ich nehme an, Sie sprechen in Ihrem Kommentar primär die Positionierungen von Trainern, Beratern und Coaches an, richtig?

      Herzliche Grüße,
      Harriet Lemcke

      Antworten

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