Kai Diekmann, seines Zeichens Chefredakteur der Boulevardzeitung mit den vier großen Buchstaben, hat unlängst in einem Interview mit der Wirtschaftsjournalistin Ursula Weidenfeld Top-Managern geraten, offensiv und kommunikativ mit Medien umzugehen. Gleichzeitig warnte er Unternehmer vor einer zu starken Selbstinszenierung und empfahl seinem eigenen CEO eine gesunde Distanz zur Öffentlichkeit. Nun kann man von dem Medium oder Herrn Diekmann halten, was man will – in diesem Punkt hat er jedoch recht.
Die Erwartungen der Öffentlichkeit(en) erfüllen
Nach einem Wechsel an einer Konzernspitze – etwa bei der Deutschen Bahn, der Lufthansa oder einer Großbank – wollen Mitarbeiter, Kunden, Geschäftspartner und Anteilseigner wissen, wohin die Reise geht. Wofür steht der Neue an der Spitze, welchen Kurs wird er einschlagen? Ändert sich der Kurs, betrifft das gleich eine große Anzahl von Menschen. Deshalb ist das Interesse er Öffentlichkeit hier besonders hoch. Hier stimme ich Herrn Diekmann zu. Ebenso in dem Punkt, dass ein CEO nicht in jede Talkshow gehört und der Drang, sich selbst zu inszenieren, doch bitte nicht ausufern möge. Wir erinnern uns noch an Alt-Kanzler Gerhard Schröder, der ob seiner Dauerpräsenz in diversen Unterhaltungsformaten den Beinamen „Medienkanzler“ erhielt. „Zum Regieren brauche ich nur BILD, BamS und Glotze“, sagte Schröder einst.
Relevanz für den Mittelstand
Vertrauen ist die härteste und zugleich flüchtigste Währung im Markt. Nach einer Weber-Shandwick-Studie hat insbesondere CEO Reputation massiven Einfluss auf das Corporate Image bei den Verbrauchern. Laut Einschätzung von Führungskräften sind 60 Prozent des Marktwertes eines Unternehmens von dessen Reputation abhängig. Nun ist ein mittelständisches Unternehmen nicht mit einem Konzern vergleichbar. Selten stehen mittelständische Unternehmen im Fokus der Medien – es sei denn, in einem Produkt wurden gesundheitsschädliche Stoffe entdeckt zum Beispiel. Dann, in einer Krise nämlich, ist auch hier das Interesse der Öffentlichkeit ganz plötzlich groß. Wohl dem, der hier gut vorbereitet ist und nicht – wie in der Praxis meist üblich – zunächst einmal abtaucht und mauert, weil Kompetenzen fehlen und der Krisenfall weit außerhalb der Vorstellungen war. Unternehmenslenker im Mittelstand stehen also eher selten im Fokus der Medien und geben Pressekonferenzen. Dennoch haben auch sie Öffentlichkeiten, die es aktiv zu pflegen gilt.
CEO-Reputation als Währung
Selbst, wenn ein Unternehmen im B2B-Sektor unterwegs ist, profitiert es deutlich von der Reputation seines Unternehmenslenkers. Dabei geht es weniger um sein Bild in der großen Öffentlichkeit, sondern vielmehr darum, seinen Geschäftspartnern und vor allem seinen Mitarbeitern gegenüber ein klares Profil zu zeigen und aktiv in Prozessen (insbesondere in Veränderungsprozessen) zu kommunizieren. So werden diese ihm auch in Krisensituationen Vertrauen schenken. Und ganz nebenbei bemerkt sind Mitarbeiter die besten Markenbotschafter, die ein Unternehmen haben kann. Aktives Beziehungsmanagement mit „internen Stakeholdern“ (um einmal PR-Sprech zu bemühen) zahlt sich also aus. Wenn Sie Unternehmenslenker sind, dann bedenken Sie dieses, bevor Sie das nächste Mal viel Geld in bunte Werbemaßnahmen investieren.
Über Harriet Lemcke
Harriet Lemcke ist Beraterin, Trainerin und Interim Managerin für Unternehmenskommunikation und Organisationsentwicklung und hat langjährige Erfahrung in der internen & externen Kommunikation sowie im Journalismus. In ihrer Arbeit verbindet sie moderne Ansätze in PR und Marketing mit Methoden und Ansätzen aus der Managementlehre und der systemischen Beratung. Sie unterstützt dabei, die Qualität und Effizienz von Kommunikationsprozessen zu verbessern und Ressourcen optimal einzusetzen. Sie haben ein Thema und wollen neue Impulse? Nehmen Sie jetzt Kontakt auf!
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