und: Wie Sie Content Curation für Ihre Unternehmenskommunikation nutzen
Im Social Web wird tagtäglich gelikt, geteilt und kommentiert. Inhalte (Content) verbreiten sich auf diese Weise, werden diskutiert und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich, als wenn diese ihr Dasein nur auf der Webseite oder dem Blog des jeweiligen Autors fristen. Das Kuratieren von Inhalten (im Marketingsprech: Content Curation) ist also sowohl für den Autor der selbigen relevant als auch für denjenigen, der Inhalte anderer aufbereitet und verbreitet, um damit das eigene Kompetenzprofil zu schärfen.
In meinem Beitrag „Kleine Psychologie des Kommentierens im Web“ beschreibe ich die verschiedenen Grundtypen von Kommentatoren und ihr Auftreten im Social Web. Heute soll es darum gehen, die Intention hinter der Aktion zu beleuchten. Warum kommentieren, liken und teilen Menschen Inhalte im Social Web? Was treibt sie an und wie gehen sie vor? Und letztlich auch – wie können Sie das für Ihre Unternehmenskommunikation nutzen?
Warum kommentieren und kuratieren Menschen im Social Web Inhalte?
Im Social Web hat jeder eine Stimme und kann sich Gehör verschaffen. Er kann also zu allem, was gepostet und geteilt wird, seinen Senf dazugeben. Wenn Sie über einen längeren Zeitraum einmal ihr Netzwerk beobachten und – sollten Sie einen Corporate Blog betreiben – auch hier die Kommentare und Aktivitäten unter die Lupe nehmen, dann werden Ihnen recht schnell unterschiedliche Verhaltensmuster und Motivationen auffallen. Ich selbst habe in meinem Netzwerk über unterschiedlichste Kanäle hinweg in den vergangenen zwei Jahren intensiver hingeschaut und dabei interessante Beobachtungen gemacht.
Typologie des Kuratierens im Web
Jeder kann jederzeit seinen Senf dazugeben und mit Inhalten anderer als Empfehlungsgeber für das eigene Netzwerk fungieren. Bleiben wir mal beim SENF – das Wort eignet sich hervorragend zur Illustration der unterschiedlichen Antreiber (hierbei handelt es sich übrigens um eine Memorierungsmethode der großartigen Kommunikationslehrerin und Managementtrainerin Vera F. Birkenbihl).
Was also sind die Treiber für Kommentare und Content Curation?
S = Strategie
Haben Sie das auch schon beobachtet? Manche Menschen kommentieren und teilen Inhalte ausschließlich von Personen aus dem eigenen Netzwerk und von Personen oder Organisationen, die für die eigenen strategischen Ziele relevant sind (entweder eine große Reichweite haben, eine besondere Reputation in einem bestimmten Umfeld oder zu einem bestimmten Thema). Egal was gepostet wird, es wird geteilt, gelikt und überaus wohlwollend kommentiert, ja fast schon angepriesen. Inhalte, die nicht den beschriebenen Autorenkreisen zuzuordnen sind, werden dagegen nahezu stoisch ignoriert – selbst, wenn es sich um qualitativ sehr hochwertigen Content mit Relevanz für das eigene Business und Netzwerk handelt.
Wenn ich in mein eigenes Netzwerk schaue, fallen mir sofort einige Namen von derartigen „Strategen“ ein, auf die diese Beschreibung zutrifft. Böse Zungen würden jetzt behaupten, sie schleimen und wanzen sich systematisch an Zielgruppenbesitzer heran und klüngeln ganz heftig im Netzwerk mit denjenigen, die ihnen „was einbringen“. Derartig berechnend Content zu kuratieren oder aber zu ignorieren fällt früher oder später auf. Wer so engstirnig vorgeht, verschenkt viel Potenzial im Social Web. Nicht selten sind es lose Verbindungen, die irgendwann einmal nützlich werden. Und letztlich ist es der Geist des Social Web, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und im Sinne des Netzwerkes zu agieren.
E = Emotionen
Nirgends ist es so leicht, Emotionen loszuwerden wie im Social Web – positive wie negative. Inhalte, die dem eigenen Standpunkt entsprechen werden gelikt, kommentiert und geteilt. Solche, die dem eigenen Standpunkt konträr sind, werden ebenso leidenschaftlich zerpflückt, attackiert oder niedergemacht. Vielen Nutzern dient das Social Web als Blitzableiter – situativ oder ganz generell. Und nicht selten schaukelt sich so etwas zu einem Shitstorm hoch – mit höchst negativen Folgen für denjenigen, der die geballte Pöblei und Hetze gänzlich Unbeteiligter abbekommt. Aus eigener Erfahrung sage ich: wer jenes einmal selbst erlebt hat, geht automatisch achtsamer mit seinen Mitmenschen im Web um.
Wenn es um Emotionen im Social Web geht, finden wir alle Kommentatorentypen wieder – je nach Situation. Vom Besserwisser, der sich eher abschätzig zu den Thesen und Meinungen anderer äußert, über den Bemühten, der sich in Diskussionen einzubringen versucht, den Pöbler, der seinen negativen Emotionen bei jeder sich bietenden Gelegenheit Luft machen will (oder sie zuweilen in provokanten Nachfragen versteckt) bis hin zu den Trollen, die negative Emotionen anderer provozieren. Einzig der Musterschüler lässt sich eher selten zu emotionalen Postings hinreißen.
Vermutlich haben Sie auch schon nützliche Inhalte anderer geteilt und sich über das Feedback aus dem eigenen Netzwerk und des Autors gefreut. Und vermutlich erleben Sie es selbst öfter einmal, dass es „in den Fingern juckt“, wenn Sie im Netz etwas lesen, welches Ihren Widerspruch geradezu provoziert. Es ist ach so verlockend, einen bissigen Spruch unter einen Beitrag zu setzen, den Sie für wenig gelungen halten. Hinter jedem Beitrag steht mindestens ein Mensch – das wird im Netz gern einmal vergessen. Gute Tipps für Wertschätzung beim Netzwerken liefert Claudia Dieterle in ihrem Beitrag. Mein Tipp an dieser Stelle: tief durchatmen und nicht den ersten emotionalen Wallungen nachgehen, sondern auf die Spätmelder warten. Die Dominanz der Lauten und Schnellen in unserem Inneren Team ist selten ein guter Ratgeber.
N = nützliche Ergänzungen
Auch der beste Beitrag kann noch besser werden, wenn ein Sachverhalt von einer anderen Perspektive beleuchtet oder in einem anderen bzw. erweiterten Kontext betrachtet wird. Hier schlägt die Stunde des Musterschülers. Er kann mit seinem Wissen und seinen Rechercheergebnissen zum Thema glänzen und liefert in epischer Breite mehr Informationen. Der Ausgangsbeitrag erhält dadurch unter Umständen mehr Tiefe oder es werden weitere Aspekte beleuchtet.
Wenn Sie im Social Web auf Content stoßen, der in Ihr Kompetenzfeld fällt, kann ich Sie nur ermutigen, dem Autor und letztlich auch Ihrem Netzwerk Ihre nützlichen Ergänzungen in Form eines Kommentars zukommen zu lassen. Es drückt Wertschätzung aus, wenn Sie sich die Mühe machen und die Arbeit anderer auf deren Blog oder in Social Networks ausführlich und fundiert kommentieren und diesen relevanten Inhalt Ihrem Netzwerk zur Verfügung stellen.
F = Festigen von Beziehungen
Interaktion ist die Währung des Social Webs und der Lohn für harte Arbeit. Das wird jeder, der einen Blog betreibt oder regelmäßig Fachbeiträge für Plattformen schreibt bestätigen. Für Kommentatoren und Kuratoren ist es also eine gute Möglichkeit, eine bestehende Verbindung dadurch zu festigen, die Beiträge desjenigen zu abonnieren, aufmerksam zu verfolgen, wertschätzend zu kommentieren und im eigenen Netzwerk zu teilen. Auch hier greift das Grundbedürfnis nach sozialer Anerkennung, Zugehörigkeit und Wertschätzung. Wer gern und bereitwillig gibt, indem er relevanten Content in seinem Netzwerk teilt, mit nützlichen Anmerkungen versieht und wertschätzend kommentiert, der ist nützlich für sein eigenes Netzwerk. Einem Autor bleibt das Engagement auf Dauer nicht verborgen und er wird sich dafür bedanken.
Das Festigen von Beziehungen durch Content Curation entscheidet sich in Intention und Ausführung erheblich von der oben beschriebenen Verhaltensweise der „Strategen“. Achten Sie einmal darauf. Sie werden sehr schnell merken, wer aus Überzeugung und als Dienstleister für sein Netzwerk handelt und wer berechnend vorgeht und seinen eigenen Vorteil im Auge hat. Das kann ein sehr spannendes Experiment sein.
Wie nutzen Sie Content Curation für Ihre Unternehmenskommunikation?
Wir haben uns nun angeschaut, mit welcher Motivation Menschen im Social Web Inhalte liken, kommentieren und teilen. Was im Privaten oder bei Selbstständigen funktioniert, lässt sich ebenso auf die Kommunikation von Organisationen übertragen. Ein Unternehmen kann die Inhalte Dritter nutzen, um die Beziehungen zu Kunden, Partnern etc. zu festigen und die eigene Marke zu stärken. Konkret heißt das, dass Sie nicht mehr alle Inhalte selbst erstellen müssen. Stattdessen stellen Sie Bilder und Bewertungen Ihrer Produkte, Forenbeiträge, Nutzungsideen, Branchennachrichten, Testberichte, Kommentare oder Artikel aus Fachmedien zusammen, kommentieren diese oder versehen sie mit einer Einleitung, um Ihren Lesern eine Einordnung zu erleichtern.
Auf diese Weise ZEIGEN Sie Ihren Nutzern, dass Sie über den eigenen Tellerrand hinausschauen, ihre Interessen und Bedürfnisse kennen und diese mit relevanten Informationen bedienen. Ihr Unternehmen / Ihre Organisation profitiert davon gleich mehrfach.
- Ihr Unternehmen positioniert sich als Experte und steigert seine Bekanntheit, indem es die Informationsflut im Netz kanalisiert und für seine Kunden und die Öffentlichkeit kompetent aufbereitet. Damit bieten Sie einen wichtigen Service.
- Ihr Unternehmen stärkt die eigene Reputation, indem Sie souverän und authentisch kommunizieren und Kunden, Partner und auch Kritiker zu Wort kommen lassen.
- Sie verbessern die Auffindbarkeit Ihrer Webseite in Suchmaschinen, indem Sie häufig neue Inhalte online stellen, welche im Idealfall von anderen aufgegriffen und ebenfalls kuratiert werden.
An dieser Stelle lege ich Ihnen den Artikel von Moritz Orendt zum Thema Content Curation ans Herz – mit sehr guten Beispielen aus der Praxis.
Fazit:
Inhalte im Netz verbreiten sich, weil relevant für andere sind. Menschen haben unterschiedliche Motivationen, Content zu kommentieren oder zu teilen. Interaktionen erfolgen häufig impulsiv, aus einer bestimmten Grundhaltung heraus oder sind Teil einer individuellen Strategie. Unternehmen, die Inhalte Dritter kuratieren, also für Ihre Kunden, Partner, Follower sammeln, aufbereiten und einordnen, profitieren davon in mehrfacher Hinsicht.
Teilen ausdrücklich erwünscht. :-)
Kommentare ebenso. Ich bin gespannt.
Über Harriet Lemcke
Harriet Lemcke ist Beraterin, Trainerin und Interim Managerin für Unternehmenskommunikation und Organisationsentwicklung und hat langjährige Erfahrung in der internen & externen Kommunikation sowie im Journalismus. In ihrer Arbeit verbindet sie moderne Ansätze in PR und Marketing mit Methoden und Ansätzen aus der Managementlehre und der systemischen Beratung. Sie unterstützt dabei, die Qualität und Effizienz von Kommunikationsprozessen zu verbessern und Ressourcen optimal einzusetzen. Sie haben ein Thema und wollen neue Impulse? Nehmen Sie jetzt Kontakt auf!
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Hallo Harriet,
der Name “SENF” ist fantastisch.
Vor allem, da ich ohne sein Wissen genau aus diesen Gründen kommentiere.
Wobei bei mir der Punkt: Horizonterweiterung fehlt.
Vielleicht nutzen wir “SEHNF” ;)
Beste Grüße
Ralph
Moin Ralph,
schön, dass du mit meinem kleinen Konstrukt etwas anfangen kannst. Frage dazu: ist Horizonterweiterung vielleicht eher die Motivation, Beiträge zu lesen? Wenn du diese kommentierst oder teilst, dann tust du ja mehr etwas für dein Netzwerk als primär für deine Weiterbildung. Das jedenfalls war meine Überlegung.
Sonnige Grüße,
Harriet
Hallo Harriet,
nach der Psychologie des Kommentierens, die des Kuratierens, da kann man ja hoffen, dass daraus eine Reihe wird und es eine Fortsetzung geben wird. Ist wieder ein interessantes Thema. Mir gefällt besonders die Definition von “Senf”. Das ist wirklich originell. Vielen Dank auch für die Verlinkung zu den ZIELBAR-Artikeln.
Viele Grüße
Claudia
Hallo Claudia,
jetzt fühle ich mich aber unter Druck gesetzt. ;-) In der Tat ist es so, dass mir beim Schreiben des ZIELBAR-Artikels auffiel, dass das Thema eigentlich viel größer ist und nicht in Gänze in einen Artikel passt. Daher jetzt quasi Teil zwei. Auf die ZIELBAR-Artikel habe ich gern verlinkt – sie passten einfach perfekt dazu. Ach ja, vielen Dank, dass du hier einen Kommentar hinterlassen hast. :-)
Viele Grüße,
Harriet