Quo vadis PR?

Warum die PR in eigener Sache aktiv werden muss – eine kritische Betrachtung von Themen und Strukturen

„Die Digitalisierung verändert die Kommunikation.“ – ich kann gar nicht sagen, wie oft ich das in den vergangenen Monaten oder vielleicht sogar schon Jahren in Fachzeitschriften, Blogs, Foren, Fachgruppen gelesen oder in Diskussionen mit Marketing-, Werbe- oder PR-Fachleuten gehört habe. Meistens dauert es dann nur einen Wimpernschlag bis jemand „Content ist King“ schreibt oder sagt. Ja, in der Kommunikation sollte es um Inhalte gehen – aber ist das überraschend? Und wenn das jemanden, der „vom Fach“ ist, tatsächlich  überrascht: was sagt das dann über ihn aus? Diese Frage stelle ich mir dann und wann im Stillen, wenn ich derartige Diskussionen verfolge.

Content Marketing ist der Begriff, auf dem branchenintern derzeit wohl am meisten herum diskutiert und –geritten wird. Während sich Werber und PRler eifrig darüber streiten, ob das nun eine gänzlich neue oder doch eher weiterentwickelte Disziplin ist und wer die Kompetenzhoheit hat, beschleicht mich mehr und mehr der Verdacht, dass die Kommunikationsfachleute in der leidenschaftlich geführten Diskussion über „owned Media“ (unter diesen Begriff fallen die selbst entwickelten und distribuierten Inhalte) den Kunden, jedenfalls den aus dem Mittelstand, aus den Augen verlieren. Und ganz nebenbei hat die PR noch ein anderes Problem. Dazu kommen wir aber später.

Schlaglicht Praxis – Operatives Spartendenken

Einige Wochen ist es jetzt her, dass ich mit einem Unternehmer und seinen beiden Verantwortlichen für E-Commerce zum Lunch verabredet war, um detailliert über eine Zusammenarbeit zu sprechen. Ich stellte eine Reihe von Fragen zum Status quo der Unternehmenskommunikation, um den Bedarf etwas greifbarer zu machen. Dabei erntete ich häufig Achselzucken und blickte in zum Teil ratlose Gesichter. Man suche eine PR-Spezialistin, weil man „etwas Presse“ machen und regelmäßig in Zeitungen, Fachzeitschriften und Online-Magazinen erscheinen wolle. Um das Marketing kümmere sich das Shopmanagement, die SEA-Fachkraft betreue nebenher die Social-Media-Kanäle und eine externe Texterin sei mit dem „Magazin“ beauftragt. Content-Strategie, Redaktionspläne, Botschaften – das alles habe man nicht, sondern probiere aus, was wohl funktioniert und sammle Erfahrungen. Und „Presse“ brauche man nun, um die Reichweite zu erhöhen. Kommunikation derartig komplex zu betrachten, sei irgendwie „abgespaced“. Aha.

Schlaglicht Image – Warum die PR PR braucht

Dieses Beispiel ist kein Einzelfall, sondern eher die Regel im Mittelstand, jedenfalls aus meiner Erfahrung. Das Praxisbeispiel macht aber deutlich, dass es der Sparte der Kommunikationsprofis nicht besser geht als vielen ihrer Kunden. Selbst- und Fremdbild passen nicht wirklich zusammen.

Während sich PR als interdisziplinär und integriert agierendes Kommunikationsmangement in Stabsfunktion sieht, welches strategisch fundiert souverän alle Instrumente der Kommunikation über sämtliche On- und Offline-Kanäle hinweg virtuos zu einem wohlklingenden Orchester vereint und bespielt, weicht das Fremdbild doch zum Teil erheblich davon ab.  Fragt man nämlich Unternehmer oder Marketingverantwortliche im Mittelstand, verstehen diese PR häufig noch als primär operativ agierende Linienfunktion unter Hoheit des Marketings mit der Hauptaufgabe, die vom Marketing vorgegebenen Botschaften über Produkte, Dienstleistungen oder das Unternehmen via Pressemeldung off- und online an einen Medienverteiler zu versenden. Push-Kommunikation über Bande also – wie vor 40 Jahren. Und „wir müssen ein bisschen PR machen“ als Ausdruck für „wir brauchen Promotion“ ist mir auch schon mehr als einmal untergekommen. Es gibt also Handlungsbedarf.

Public Relations - Selbst- und Fremdbild stimmen nicht überein

Schlaglicht Digitalisierung

Machen wir uns nichts vor. Auch, wenn wir es irgendwie schon gar nicht mehr hören können: die Digitalisierung verändert unsere Welt, unsere Geschäftsmodelle, unsere Kommunikation. Die Zeiten, in denen PR-Verantwortliche hauptsächlich ehemalige Journalisten, Sachbearbeiter oder Texter waren, die mit der Zielgruppe Medien in Kontakt getreten sind, sind seit gefühlten Ewigkeiten vorbei (auch, wenn es diese Vertreter nach wie vor im Markt gibt). Seit mehr als zehn Jahren dauert der Siegeszug sozialer Medien inzwischen an und ebenso lange machen tatsächliche PR-Profis ihren Job ganz selbstverständlich auch online. Tatsache ist auch, dass die Grenzen zwischen PR, Marketing und Werbung zunehmend verschwimmen – jedenfalls, was das Instrumentarium anbelangt.

Klassisch gesehen fokussiert sich das Marketing auf die Kommunikation mit (potenziellen) Kunden. PR hingegen legt den Fokus darauf, Beziehungen zu den unterschiedlichsten internen und externen Öffentlichkeiten zum Zwecke des Reputationsmanagements aufzubauen und zu pflegen. Werbung zielt darauf ab, Interesse an Produkten und Dienstleistungen eines Unternehmens zu wecken und zum Kauf zu animieren.

In unserer vernetzten, globalisierten und technikorientierten Welt ist ein kluges Management von Kommunikation entscheidend und eine Strategie wichtiger denn je, damit sich Unternehmen nicht in den Weiten der Möglichkeiten verirren. Glaubwürdigkeit und Relevanz sind längst zur entscheidenden Währung geworden, wenn es darum geht, die heute bestens informierten und damit mächtiger gewordenen Zielgruppen zu erreichen. Und das sind Kernkompetenzen der PR, die sie in der Wahrnehmung ihrer Auftraggeber (bezogen auf den Mittelstand) noch viel zu häufig ungerechtfertigt an die Werbung abtritt.

Public Relations als Management von Kommunikation zwischen einer Organisation und seinen Öffentlichkeiten (Grunig/Hunt)

PR – mehr Unternehmensberatung als operative Projektunterstützung

Gab es in früheren Jahrzehnten noch „Schreibtrainings für Pressestellenmitarbeiter“ sind die Aus- und Weiterbildungen für Kommunikatoren heute weitaus komplexer geworden. Die Universitäten haben sehr zeitig auf die Anforderungen des Marktes reagiert und erkannt, dass Kommunikation eine Managementaufgabe ist, die interdisziplinäres Wissen, eine starke analytisch-strategische Kompetenz, ganzheitliches Denken, und eine hohe Umsetzungskompetenz in den Einzeldisziplinen verlangt. Moderne Kommunikatoren haben fundierte Kenntnisse in den Bereichen Unternehmensführung und Controlling und agieren mit Vorstand und Geschäftsleitung auf Augenhöhe.

An dieser Stelle stimme ich Christian Krause zu, der in seinem Beitrag „Kommunikation: 100 Prozent oder Null“ herausstellt, wie notwendig es ist, dass Kommunikation von Anfang an in den strategischen Planungsprozess einbezogen ist und darin eine zentrale Rolle spielen muss. Wenn man dabei betrachtet, dass gerade mittelständische Unternehmen in den meisten Fällen einen sehr engen BWL-Fokus auf reine Kundenansprache (also Marketing- und Vertriebskommunikation) haben (siehe Ergebnisse der Studie Mittelstandskommunikation 2015), wird einmal mehr deutlich, dass die PR mehr PR braucht. Reputation bedeutet Vertrauen und jenes ist die härteste und zugleich flüchtigste Währung im Geschäftsleben – und die Kernaufgabe von PR.

Und auch hier stimme ich Christian Krause zu, wenn er schreibt: „Beschlüsse müssen stärker unter kommunikativen Gesichtspunkten gefällt werden – was Entscheidungsprozesse verlängert, aber für eine bessere Wahrnehmung und eine höhere Reputation bei Stakeholdern sorgt.“. Dazu muss jedoch das Bewusstsein für die Bedeutung von Kommunikation erst einmal hergestellt werden.

Schlaglicht Praxis Mittelstand – Kommunikation als Mittel zum Zweck

Schon hieran wird deutlich, wo es im Mittelstand häufig klemmt – eine Stabsstelle Unternehmenskommunikation / PR gibt es zumeist erst in größeren Strukturen. In kleineren Organisationen hingegen fehlt diese Managementkompetenz häufig ganz. Kommunikation wird als Instrument betrachtet. Im Mittelstand ist es oft nur eine Marketingfachkraft, welche allein oder gemeinsam mit dem Inhaber / Geschäftsführer Entscheidungen trifft und Kommunikation als Einzelleistungen bei unterschiedlichen Dienstleistern einkauft. Der rote Faden in der Kommunikation fehlt in vielen Fällen ebenso wie Kontinuität und die Kompetenz, die extern eingekauften Leistungen im Hinblick auf langfristige Ziele und Qualität objektiv zu bewerten.

An dieser Stelle stimme ich Wolfgang Griepentrog zu, der eine neue Kommunikationskultur und das Auflösen von Silos fordert – auch, wenn sich sein Artikel eher auf die Strukturen in großen Organisationen bezieht.

Digitalisierung - PR als modernes Kommunikationsmanagement

Weg mit alten Denkmustern

Natürlich haben kleinere mittelständische Unternehmen nicht die besagten Kommunikationssilos, sondern – wie oben beschrieben – häufig gar keinen Kommunikator, sondern nur eine einzige Marketingfachkraft. Allerdings lässt sich das Silodenken dennoch übertragen, denn auch in kleineren Strukturen kommunizieren unterschiedliche Abteilungen regelmäßig mit unterschiedlichen Anspruchsgruppen (Stakeholdern).

So habe ich es u. a. in einem Unternehmen mit etwa 20 Angestellten erlebt, dass intern die Meinung vorherrschte, Social Media sei ausschließlich Sache des Marketings. Das führte dazu, dass sich Vertrieb und HR beharrlich weigerten, sich mit sozialen Netzwerken beruflich zu befassen und stattdessen ihre Themenwünsche täglich an die Marketingverantwortliche weiterleiteten, damit diese in ihrem Sinne Botschaften verbreitet. Dass jenes zu unglaublichen Reibungsverlusten führte, endlos viele Abstimmungen nötig machte (die eine vergleichsweise kleine Organisation zeitweise lahmlegen können) und letztlich nicht sonderlich erfolgreich war, muss ich an dieser Stelle nicht extra erwähnen. Insofern waren hier dringend neue Strukturen und Prozesse nötig. Denn so selbstverständlich wie ein HR- oder Vertriebs-Mitarbeiter zum Telefon greift, kommuniziert er heute im Idealfall auch via Social Media mit seinen Empfängern. Die Marketingverantwortliche wiederum kann sich dann wieder darum kümmern, Messen vorzubereiten, Give aways zu organisieren und die unternehmenseigene Webseite zu pflegen.
In internen Workshops galt es also, das Bewusstsein für das Instrument Social Media zu schaffen, Vorbehalte und Ängste abzubauen, die Mitarbeiter entsprechend zu trainieren und mit ihnen gemeinsam Redaktionspläne für die einzelnen Bereiche zu entwickeln. Der Kommunikator ist hier in der Rolle des Managers, Vermittlers, Unterstützers und Trainers sowie als Bindeglied zur Geschäftsleitung gefragt.

Fazit:

Die Herausforderung für die PR in Zeiten der Digitalisierung sehe ich darin, sich als Spezialistin für ganzheitliches Kommunikations-, Beziehungs- und Reputationsmanagement zu positionieren und zu profilieren. PR muss als modernes Kommunikationsmanagement verstanden werden und damit in der Wahrnehmung im Jahr 2015 ankommen. In größeren Organisationen mit professionell aufgestellter Kommunikationsabteilung ist das häufig bereits gegeben. Im Mittelstand jedoch wird PR auch heute noch gern mit „Pressearbeit“ gleichgesetzt. PR braucht also selbst Imagearbeit.

 

Mit diesem Beitrag folge ich dem Aufruf der ADENION GmbH zur Blogparade „Zukunft der PR“. Wenn Ihnen meine Gedanken zum Thema gefallen, dann teilen Sie meinen Beitrag bitte mit anderen. Wenn Sie eigene Erfahrungen, Meinungen oder Ansichten einbringen möchten, sind Sie herzlich eingeladen, diesen Beitrag zu kommentieren und hier mit mir und anderen Lesern zu diskutieren.

Harriet Lemcke Über Harriet Lemcke
Harriet Lemcke ist Beraterin, Trainerin und Interim Managerin für Unternehmenskommunikation und Organisationsentwicklung und hat langjährige Erfahrung in der internen & externen Kommunikation sowie im Journalismus. In ihrer Arbeit verbindet sie moderne Ansätze in PR und Marketing mit Methoden und Ansätzen aus der Managementlehre und der systemischen Beratung. Sie unterstützt dabei, die Qualität und Effizienz von Kommunikationsprozessen zu verbessern und Ressourcen optimal einzusetzen. Sie haben ein Thema und wollen neue Impulse? Nehmen Sie jetzt Kontakt auf! Zum Beratungsangebot

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5 Gedanken zu „Quo vadis PR?“

    • Moin Christian,

      vielen Dank für deinen Kommentar. Schön, dass dir meine Gedanken gefallen und du sie ganz offenbar aus der Praxis nachvollziehen kannst. Deinen Blogparadenbeitrag fand ich ebenfalls sehr gelungen – daher habe ich ihn gern eingebaut.

      Viele Grüße,
      Harriet

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