Souverän vor Publikum – 11 Tipps für erfolgskritische Situationen

Sicher präsentieren für Unternehmer, Kommunikatoren und Gelegenheitsredner

Selbst, wenn die allermeisten Leute vor dem Fernseher sitzen: es hören dir jetzt noch immer mehr zu als in ein ausverkauftes Fußballstadion passen“. Mit diesen Worten klopfte mir mein Programmdirektor lächelnd auf die Schulter – etwa zehn Minuten bevor meine allererste Nachrichtensendung über den Äther gehen sollte. Das war 1994. Und jetzt raten Sie mal, was diese Worte bewirkt haben? Richtig! Ich hatte ein Bild in meinem Kopf: 50.000 johlende Menschen in einem bis auf den letzten Platz gefüllten Fußballstadion, die erwartungsvoll alle MICH anstarrten. Was meinen Sie, wie es mir damit ging?

Mein Puls war schlagartig völlig außer Kontrolle, ich zitterte am ganzen Körper und hätte mich vermutlich nicht einmal mehr an meinen Namen erinnert, wenn mich jemand in diesem Moment danach gefragt hätte. Wie gut, dass der Sender und ich auf Nummer sicher gegangen waren und die Sendung vorher aufgezeichnet hatten. Ich musste also „nur“ den Bandregler in der richtigen Sekunde nach oben schieben und hoffen, dass in den folgenden drei Minuten kein technisches Problem auftritt. Leichter gesagt als getan, wenn man wie Espenlaub zittert. Glücklicherweise lief das Band mit den vorproduzierten Nachrichten (ja, damals gab es noch Bandmaschinen, das digitale Zeitalter begann beim Radio erst zwei Jahre später) reibungslos. Hätte ich die Nachrichtenmeldungen live lesen müssen, wäre ich vermutlich in Ohnmacht gefallen.

Warum haben wir Lampenfieber?

Ganz sicher kennen Sie solche Situationen auch, in denen Ihre Hände schwitzig werden, es im Magen rumort, die Wangen sich röten, das Herz schneller schlägt und und und. Unternehmer und Kommunikatoren kommen immer wieder in Situationen, in denen sie vor Menschen sprechen müssen. Und eigentlich ist das für sie auch Routine und gehört zum Job ganz selbstverständlich dazu. Bei komplizierten Themen (etwa, wenn der Unternehmer der Belegschaft mitteilen muss, dass bei der bevorstehenden Fusion ein Drittel der Arbeitsplätze wegfallen), in ungewohnten und tendenziell unangenehmen Situationen (wie einem Medieninterview in einer akuten Krisensituation – etwa, weil bei der Produktion eines Qualitätsanbieters eine hochgefährliche Substanz in Lebensmittel gelangt ist, die massive Gesundheitsschäden nach sich zieht, wenn Verbraucher diese konsumieren) oder in Situationen, in denen sehr viel auf dem Spiel steht (etwa beim „Pitch“, der Präsentation vor einem sehr wichtigen potenziellen Neukunden) kann das Lampenfieber aber auch den routiniertesten Redner wie ein Blitz treffen, weil er seine Komfortzone zeitweise verlassen muss.

Was aber passiert dann im Gehirn? Es registriert eine bedrohliche Situation und reagiert, und zwar mit Angst. Das bedeutet: es wird jede Menge des Stresshormons Adrenalin ausgeschüttet. Die Pupillen weiten sich, der Sauerstoffverbrauch steigt, die Muskeln spannen sich an und der Körper verbrennt mehr Energie. Er ist also in erhöhter Alarmbereitschaft und darauf vorbereitet, sich der drohenden Gefahr augenblicklich durch Flucht oder Kampf zu entziehen. Oder, wenn beide Optionen nicht in Frage kommen, sich durch Totstellen zu retten. Ein überlebenswichtiges Programm aus Zeiten, in denen wir Menschen Gefahr liefen, vom Säbelzahntiger gefressen zu werden. Und wie das so ist mit Urinstinkten: sie sind im ältesten Teil unseres Gehirns – dem Stammhirn – gespeichert und entziehen sich damit dem Zugriff des Bewusstseins.

Sicher präsentieren für Unternehmer, Kommunikatoren und Gelegenheitsredner

Gibt es Hoffnung?

Nun haben wir Menschen den Säbelzahntiger erfolgreich überlebt und in den allermeisten Situationen besteht also keine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben. Diesen Urinstinkt, der sich in Lampenfieber ausdrückt, nehmen wir also als hinderlich wahr. Wer möchte schon gern andere daran teilhaben lassen, wenn der Angstschweiß aus allen Poren tritt, der Körper zittert, die Stimme bebt oder man einen totalen Blackout hat? Die gute Nachricht: Lampenfieber sorgt nicht nur dafür, dass wir nervös werden, es sorgt auch dafür, dass wir aufmerksamer sind und uns besser konzentrieren können. Theoretisch und praktisch auch dann, wenn wir uns nicht nur mit der eigenen (Versagens-)Angst beschäftigen.

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Meine 11 Tipps für Ihren souveränen Auftritt vor Publikum

Im Laufe meiner langen Radiokarriere habe ich eine Menge Stimm-, Sprech- und Präsentationstrainings durchlaufen, hervorragende Trainer kennengelernt, diverse Methoden ausprobiert und eigene entwickelt. An dieser Stelle gebe ich Ihnen also mit an die Hand, was sich für mich in der Praxis bewährt hat. Natürlich erhebe ich nicht den Anspruch, DAS Wundermittel für alle gefunden zu haben. Auch schicke ich gleich voraus, dass es heute nicht darum geht, wie Sie eine tolle Präsentation halten – dazu empfehle ich Ihnen meinen Beitrag „Warum Präsentationen ihr Ziel verfehlen“. Hier und jetzt geht es um praktische Tipps, wie Sie Ihr Lampenfieber in den Griff bekommen, die ich so auch in meinen Medientrainings an Unternehmer und Führungskräfte weitergebe.

  1. Machen Sie sich die Situation bewusst.
    Sie sind sicher! Niemand bedroht Sie. Auch kritische Fragen, aufgebrachte Zuhörer, Nörgler, Besserwisser oder verbal übergriffige Menschen können Sie nicht in eine ernsthafte Gefahr bringen. Mir hilft es zum Beispiel sehr, wenn ich mir eine irrationale Emotion wie das Lampenfieber erklären kann. Es sitzt kein hungriger Säbelzahntiger im Publikum, versprochen. Alles andere lässt sich mit guter Vorbereitung händeln.
  2. Nutzen Sie die Tapetentechnik von Vera F. Birkenbihl.
    Was bedeutet das? Gehen Sie Ihren Vortrag, Ihre Präsentation, Ihre Ansprache mehrmals durch – und zwar so, als wären sie bereits in der realen Situation. Machen Sie sich also so zurecht, als wenn bereits heute der große Tag wäre – Kleidung, Haare, Schuhe, Lieblingsduft. Wenn Sie jetzt vor den Spiegel treten, um ihren Auftritt inhaltlich zu üben, dann stellen Sie sicher, dass Sie sich in Ihrer Haut wohlfühlen. Damit nehmen Sie einen wesentlichen Teil des Stresses vorweg und gewinnen mehr Selbstvertrauen.
  3. Ersetzen Sie negative Glaubenssätze durch positive Affirmationen.
    Die Perfektionisten und Pessimisten unter uns neigen dazu, sich die schlimmsten Situationen auszumalen und schüren damit nicht nur ihre Versagensängste, sondern blockieren sich selbst. Was uns im Geiste beschäftigt, strebt seiner Vervollkommnung zu, sagte mein Prof. in Kommunikationspsychologie an der Stelle gern. Das können Sie aber auch im positiven Sinne nutzen, indem Sie sich selbst stärkende Motivationssätze sagen.
    Ich bin gut vorbereitet.
    Ich atme ruhig ein und aus.
    Ich bin ganz bei mir.
    Ich schaffe das.
    Ich kann es.
    Für die Zweifler unter Ihnen: das hat nichts mit Esoterik zu tun. Indem Sie diese positiven Bestärkungen wiederholen, „programmieren“ Sie Ihr Gehirn und verringern den Stress. Hilfreich ist ebenso, wenn Sie sich vorstellen wie es sein wird, wenn Sie diese heikle Situation gemeistert haben. Malen Sie sich diesen Moment in Ihrem Geiste so exakt wie möglich aus, fühlen Sie nach und verinnerlichen das Bild und die Emotionen.
  4. Sorgen Sie gut für sich.
    Es macht keinen Sinn, bis zur letzten Minute an einer Rede oder an einer Präsentation zu feilen – egal wie bedeutend sie ist. Erholung und Pausen sind ebenso wichtig wie Rituale und Normalität. Machen Sie am Tag vor dem Ereignis etwas ganz Normales oder gönnen sich bewusste Entspannung.
  5. Schaffen Sie sich zusätzlich Sicherheiten.Manche Menschen empfinden es als beruhigend, sich „an etwas festhalten“ zu können. Schreiben Sie sich Stichworte auf Moderationskärtchen und machen sich klar, dass niemand, wirklich niemand weiß, was genau Sie in welcher Reihenfolge sagen wollen. Es wird also auch niemanden (außer Ihnen selbst auffallen), wenn Sie etwas weglassen oder vergessen. Wenn es Ihnen hilft, dann sorgen Sie dafür, dass eine Vertrauensperson im Publikum ist, zu der Sie immer wieder Blickkontakt aufnehmen können.
  6. Lächeln Sie! Das ist kein Scherz! Wenn Sie mindestens 60 Sekunden lang Ihr Gesicht zu einem breiten Grinsen verziehen (und zwar so, dass es wirklich breit ist und ordentlich zieht), dann aktivieren Sie Muskeln im Gesicht, die direkt an Ihr Gehirn senden, dass es Ihnen gut geht. Und das wiederum schüttet dann die entsprechenden Glückshormone aus. Sie können damit also Ihre Stimmungslage manipulieren und ihr Gehirn ein wenig austricksen. Klasse, oder? Wenn Sie Angst haben, dass Ihre Mitmenschen Sie für sonderbar halten, dann ziehen Sie sich doch kurz vor dem entscheidenden Moment dahin zurück, wo Sie für ein paar Minuten ganz sicher unbeobachtet sind.
  7. Trommeln Sie sich stark!
    Haben Sie schon einmal beobachtet, wie der Silberrücken in einer Affenhorde seiner Gefolgschaft erklärt, dass er der Obermacker ist? Er stellt sich aufrecht hin, macht sich ganz groß und trommelt sich mit den Fäusten gegen die Brust. Machen Sie es dem Silberrücken nach! Indem Sie sich mit den Fäusten locker gegen die Brust trommeln, aktivieren Sie Ihre Thymusdrüse. Und diese ist das Kontrollorgan für das physische und auch emotionale Immunsystem. Die Thymusdrüse wirkt antagonistisch zum Stresshormon Adrenalin. Indem Sie darauf trommeln, lindern Sie ganz ohne Beruhigungsmittel Ihren Stresslevel und verschaffen Sie sich einen Energiekick. Auch hier empfehle ich Ihnen, ein stilles Örtchen aufzusuchen, um Mitmenschen nicht zu irritieren.
  8. Hängen Sie sich eine Goldmedaille um!
    Wenn Sie Ihre Thymusdrüse aktiviert haben, dann ehren Sie sich selbst. Hängen Sie sich aktiv eine imaginäre Goldmedaille um den Hals. Weil Sie die Situation hervorragend gemeistert und das Publikum souverän überzeugt haben. Sie werden sich beim ersten Mal vermutlich albern vorkommen, aber staunen, wie sehr die imaginäre Goldmedaille wirkt, Ihnen das Herz wärmt und Sie stärkt (siehe auch Punkt 3). Mental so gewappnet kann Ihnen gar nichts passieren.
  9. Bleiben Sie locker!
    Versuchen Sie nicht, bewusst gegen Ihre Nervosität anzukämpfen, denn dann wird sie nur schlimmer. Akzeptieren Sie, dass Sie nervös sind und „freuen“ sich auf die Herausforderung, die Sie zweifelsohne meistern werden – weil Sie bestens darauf vorbereitet sind, sich in Ihrer Haut wohl fühlen und Ihnen nichts passieren kann. Sie werden Fehler machen – und Sie werden souverän mit ihnen umgehen.
  10. Achten Sie auf Ihre Stimme und atmen Sie!
    Je größer der Stress, umso mehr neigen Menschen dazu, Ihren Atemraum zu verkleinern (indem sie zum Beispiel die Schultern hochziehen oder in sich zusammensinken). Die Folge: der Atem wird flacher und schneller, die Stimme klingt gepresst oder kippt in die Kopfstimme (besonders bei Frauen zu beobachten und für die Zuhörer extrem nervig) und der Redner neigt dazu, immer schneller zu sprechen. Atmen Sie tief in den Bauch ein und aus, halten Sie Körperspannung und achten darauf, dass Sie laut und deutlich sprechen (fünf Prozent langsamer als es sich für Sie richtig anfühlt ist meist die perfekte Geschwindigkeit für die Zuhörer). Machen Sie bewusst Sprechpausen. Sie werden feststellen, dass Sie immer weiter entspannen.
  11. Blackout? Suchen Sie Blickkontakt!
    Trotz bester Vorbereitung kann es passieren, dass Ihr Gehirn plötzlich „Bluescreen“ meldet, Sie also den Faden verlieren. Mir hilft es in einer solchen Situation, die Situation anzusprechen, also offen zu sagen, dass ich gerade den Faden verloren habe. Das macht Sie menschlich und schafft Nähe. Ich habe noch niemanden erlebt, der mich deshalb als unprofessionell empfunden hat. Im Gegenteil. Wenn Sie hier versuchen, die Situation zu überspielen, machen Sie es meist schlimmer. Gehen Sie lieber offen mit Pannen um und suchen gleichzeitig Blickkontakt (vielleicht zu der oben angesprochenen Vertrauensperson). Schon sechs Sekunden konstanter Blickkontakt werden Ihnen bei einem Blackout helfen, den Faden wieder aufzunehmen. Durch den Blickkontakt entsteht Nähe, Ihr Gehirn setzt den Neurotransmitter Oxytocin frei und Sie haben wieder Zugriff auf Ihre gespeicherten Daten. Verblüffend einfach, aber höchst wirkungsvoll.

Fazit

Eine ungewohnte und unangenehme Situation ist und bleibt eine Herausforderung und kein Profi ist vor Lampenfieber sicher. Wie bei allem gilt meiner Meinung nach auch hier der Ausspruch von Paracelsus: die Dosis macht das Gift. Anspannung ist gut, solange sie nicht in Stress und pure (Versagens-)Angst ausartet. Die hier formulierten elf Tipps gebe ich Ihnen aus jahrelanger Praxis und tiefster Überzeugung mit. Damit Sie bestens gewappnet sind für die nächste erfolgskritische Situation. Wollen Sie tiefer einsteigen, sich auf eine spezielle Situation gezielt vorbereiten oder mit konstruktivem Feedback kontinuierlich an Ihrer Präsenz arbeiten? Dann nehmen Sie Kontakt zu mir auf.

Mit diesem Beitrag beteilige ich mich an der Blogparade der Unternehmensgruppe LVQ.

Wenn Ihnen mein Beitrag gefällt, teilen Sie ihn bitte mit anderen. Welches sind Ihre Tricks und Tipps? Wie gehen Sie mit Lampenfieber um? Kommentieren Sie und lassen andere daran teilhaben. Ich freue mich drauf.

Harriet Lemcke Über Harriet Lemcke
Harriet Lemcke ist Beraterin, Trainerin und Interim Managerin für Unternehmenskommunikation und Organisationsentwicklung und hat langjährige Erfahrung in der internen & externen Kommunikation sowie im Journalismus. In ihrer Arbeit verbindet sie moderne Ansätze in PR und Marketing mit Methoden und Ansätzen aus der Managementlehre und der systemischen Beratung. Sie unterstützt dabei, die Qualität und Effizienz von Kommunikationsprozessen zu verbessern und Ressourcen optimal einzusetzen. Sie haben ein Thema und wollen neue Impulse? Nehmen Sie jetzt Kontakt auf! Zum Beratungsangebot

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