Der gute Ruf ist eines der wertvollsten Güter, die ein Unternehmen oder ein Selbstständiger haben kann. Der gute Ruf, die Reputation (lat. Reputatio „Berechnung“), schafft Vertrauen. Das Ansehen eines Unternehmens, eines Selbstständigen oder einer Organisation erlaubt es deren Geschäftspartnern und Kunden abzuschätzen, wie sich das Unternehmen, der Selbstständige, die Organisation verhalten wird, wie die Qualität der (Zusammen-)Arbeit sein wird, wie hoch die Termin- und Kostentreue sein wird. Der gute Ruf, die Reputation, zählt also nicht umsonst zum immateriellen Vermögen und ist Bestandteil des Firmenwertes.
Eine gute Kampagne schafft noch lange kein Vertrauen
Warum schreibe ich das? Weil mir ein Erlebnis in der jüngsten Vergangenheit einmal mehr gezeigt hat, dass dieses Bewusstsein längst nicht in den Köpfen aller Manager oder Unternehmer verankert ist. Ich erzähle den Fall einmal in Kürze: Seit einiger Zeit bin ich Kundin des Internetanbieters KabelDeutschland. Dieser wirbt damit, schnelle Netzverbindungen zu günstigen Preisen anzubieten und investiert ein sehr hohes Marketingbudget, um nahezu wöchentlich Werbepost an Kunden und Interessenten zu versenden. Die bunten Werbebriefchen schildern in wonnigen Worten, wie top-modern der Anbieter und wie unschlagbar seine Leistungen sind. Es gibt also keinen Grund, noch länger zu zögern, selbst Kunde zu werden. Jedenfalls, wenn man der werblichen Marketingkommunikation Glauben schenken wollte.
Die Realität sieht jedoch anders aus. Natürlich gehören technische Ausfälle zum Alltagsgeschäft eines Internetanbieters. Wenn Kunden wiederholt Totalausfälle von einigen Tagen hinnehmen müssen, keine verlässlichen Auskünfte erhalten, Call-Center-Agents schnippisch einfach auflegen, dann nützt die schönste Kampagne nichts. Dann sind Kunden zu recht verärgert, machen ihrem Ärger Luft, erzählen davon anderen, die wiederum ganz sicher NICHT Kunden dieses Unternehmens werden und im schlimmsten Fall zieht sowas einen so genannten Shitstorm im Internet nach sich. Einen Mittelständler kann jener nicht nur die Reputation, sondern unter Umständen sogar die Existenz kosten.
Gute Arbeit und eine Frage von Unternehmenskultur
Doch nicht nur die eigene Arbeit beeinflusst die Reputation. Wenn ein sehr großes Unternehmen wie KabelDeutschland regional mit höchst unzuverlässigen Servicedienstleistern zusammenarbeitet, ruinieren diese mit ihrer Arbeitsweise möglicherweise ebenso recht schnell den guten Ruf.
In meinem Fall hat es die Firma Lehmensiek aus Lübeck gleich zweimal nicht geschafft, einen vereinbarten Termin mit komfortablem Drei-Stunden-Zeitfenster einzuhalten. Auf Nachfrage dauerte es eine halbe Ewigkeit, ehe mein Vorgang überhaupt gefunden wurde, dann war der Techniker zu einem anderen als dem vereinbarten Termin im Hause. Beim nächsten Mal dann hing ich ganze 25 Minuten in der Warteschleife (wohlbemerkt – es handelt sich um einen mittelständischen Betrieb und keinen Konzern, bei dem Hunderte Kunden gleichzeitig anrufen), ein weiters Mal wurde das Gespräch unfreundlich von Seiten der Firma durch Auflegen beendet. Und nachdem tatsächlich ein Techniker in Person die Bildfläche betrat, war die Störung im Anschluss nicht einmal behoben. Wie fühlt sich ein Kunde in jenem Moment? Nicht ernst genommen und wenig gewertschätzt. Und er wird seinem Ärger Luft machen. Ein Blick auf einschlägige Bewertungsportale im Netz verrät: vor mir haben schon andere Kunden die gleichen oder ähnliche Erfahrungen gemacht und eine entsprechende Negativbewertungen hinterlassen.
Die neue Macht der Kunden
Das Internet gibt Kunden wie Interessengruppen machtvolle Instrumente in die Hand, um gezielt Druck auf Unternehmen auszuüben. Die Erwartungen an Transparenz und Dialogbereitschaft sind gestiegen. Für Unternehmen sind damit ganz neue Herausforderungen auf unterschiedlichen Ebenen entstanden. Ein „weiter so wie bisher“, ein Silodenken, bei dem einzelne Unternehmensbereiche völlig unabhängig voneinander und nicht integriert agieren, kann dabei einen Mittelständler über kurz oder lang in den Ruin treiben.
Ein konsequentes Reputationsmanagement sorgt dafür, Schwachstellen rechtzeitig zu erkennen und geeignete Reaktionsroutinen bis hin zu einer professionellen Krisenkommunikation zu entwickeln. Gefragt sind dabei nicht nur unternehmerischer Mut und eine neue Art der Kommunikation, sondern auch eine kritische Analyse von Prozessen und Abläufen innerhalb der Organisation.
Über Harriet Lemcke
Harriet Lemcke ist Beraterin, Trainerin und Interim Managerin für Unternehmenskommunikation und Organisationsentwicklung und hat langjährige Erfahrung in der internen & externen Kommunikation sowie im Journalismus. In ihrer Arbeit verbindet sie moderne Ansätze in PR und Marketing mit Methoden und Ansätzen aus der Managementlehre und der systemischen Beratung. Sie unterstützt dabei, die Qualität und Effizienz von Kommunikationsprozessen zu verbessern und Ressourcen optimal einzusetzen. Sie haben ein Thema und wollen neue Impulse? Nehmen Sie jetzt Kontakt auf!
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