Der Mittelstand in Deutschland ist finanzstark, innovativ und exportorientiert. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie spricht gern vom „Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft“. Kein Wunder, denn 99,6 Prozent aller 3,7 Millionen Unternehmen in Deutschland zählen zu den kleinen und mittleren Unternehmen, den KMU (Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn, IfM, 2012). Mit 21 Millionen Beschäftigten und einem Anteil von 80 Prozent an der Zahl der Gesamtbeschäftigten sind die Mittelständler der größte Arbeitgeber unseres Landes. Sie bilden etwa 1,3 Millionen junge Menschen im dualen Berufsausbildungssystem aus und tragen mit einem Nettowertschöpfungsanteil von fast 52 Prozent wesentlich zum Erfolg aller deutschen Unternehmen bei.
Hidden Champions – wirtschaftlich stark, aber unbekannt
Im viel diskutierten „War for talents“ haben mittelständische Unternehmen ein handfestes Problem. Sie sind kaum bekannt. Erst recht nicht überregional. Gerade mal ein Drittel der Mittelständler hat einen Bekanntheitsgrad im Arbeitsmarkt. Dort stehen sie in Sachen Fachkräftegewinnung in Konkurrenz zu Großunternehmen, die bei Absolventen und Bewerbern deutlich begehrter sind, weil sie meistens besser bezahlen, sich die berufliche Station gut im Lebenslauf macht und – last but not least – investieren Konzerne ungleich mehr Geld und Ressourcen, um sich die notwendigen Fachkräfte auch in Zukunft zu sichern.
Mittelständische Unternehmen haben selten große Namen und bekannte Marken, häufig dafür Standorte jenseits der Metropolen. Und dennoch: der Mittelstand hat seinen Bewerbern auch eine Menge zu bieten. Flache Hierarchien, eigenverantwortliches Arbeiten und Gestaltungsspielräume zum Beispiel sind in mittelständischen Organisationen deutlich häufiger anzutreffen als in Konzernen. Während in Konzernen ganze Abteilungen mit Strategien und Konzepten beschäftigt sind, um Fachkräfte zu finden, zu binden und weiterzubilden, sucht man eine Strategie im Mittelstand oft vergebens.
Employer Branding versus Arbeitgeberkommunikation
In der Praxis begegnet es mir sehr häufig, dass die Begriffe Employer Branding und Arbeitgeberkommunikation synonym verwendet werden oder aber den Verantwortlichen im Unternehmen gar nicht bewusst ist, was sich eigentlich hinter dem Buzzword Employer Branding verbirgt. Daher verwundert es auch nicht, dass einzelne Aktionen oder kurzlaufende Kampagnen kommentiert werden mit: „Wir machen jetzt auch Employer Branding“. Gerade weil dieses Buzzword aktuell derartig inflationär gebraucht und nahezu alle Maßnahmen, die auf Recruiting abzielen, darunter verortet werden, schiebe ich an dieser Stelle eine kurze Beschreibung der beiden Begrifflichkeiten ein.
Employer Branding
Employer Branding ist ein strategisch geplanter Prozess der Markenbildung mit dem speziellen Fokus auf die Arbeitgebermarke. Das Fundament ist also Strategie. Um professionell und vor allem nachhaltig Arbeitgeberkommunikation betreiben zu können, muss das Unternehmen zunächst einmal den Kern der eigenen Arbeitgebermarke herausarbeiten. Und nein, es ist nicht das Gleiche wie das Unternehmensleitbild. Das sage ich an dieser Stelle, weil mir die Frage in der Praxis des Öfteren begegnet. Vielmehr setzt sich das Unternehmen die Brille seiner Mitarbeiter und potenziellen Bewerber auf und beantwortet aus dieser Perspektive heraus die Fragen zum eigenen Markenkern. Wenn Kompetenz, Tonalität und Reason why aus dieser Perspektive heraus erarbeitet sind, dann geht es an die Visualisierung des Arbeitgebermarken-Bildes. Das Unternehmen legt fest, wie es als Arbeitgebermarke nach außen auftritt.
Ist der Markenkern definiert, wird auf dieser Basis ein Konzept entwickelt, welches nach eingehender Marktanalyse Zielgruppen, Ziele, die kommunikative Positionierung, zentrale Botschaften und die kreative Leitidee festlegt. Damit ist das Fundament für die Arbeitgebermarkenbildung gegossen und der Grundstein für die operative Umsetzung (Kampagnen, Maßnahmen) gelegt.
Arbeitgeberkommunikation
Sie umfasst alle kommunikativen Maßnahmen mit dem Ziel, das Unternehmen als Arbeitgebermarke in den Köpfen und idealerweise auch den Herzen der Mitarbeiter und potenziellen Bewerber zu verankern. Hier geht es also um die Umsetzung der Strategie in Form einer Kampagne oder Einzelmaßnahmen. Damit wird bereits deutlich, dass ein einzelnes Recruitingvideo oder eine PR-Kampagne eben kein Employer Branding sind, sondern Bausteine im kommunikativen Maßnahmenmix. Fehlt diesem – wie in der Praxis häufig anzutreffen – jedoch die zugrundeliegende Strategie, bleibt der erwünschte nachhaltige Erfolg fast immer aus. Zu- und Glücksfälle gibt es natürlich auch hier.
Wie steht es um Employer Branding und Arbeitgeberkommunikation im Mittelstand?
Vor dem Hintergrund, dass nur ein Drittel der mittelständischen Unternehmen im Arbeitsmarkt bekannt sind, könnte man davon ausgehen, dass sie ein besonderes Interesse daran haben, ihren Fachkräftenachschub ebenso wie die Mitarbeiterbindung strategisch anzugehen. Das Gegenteil ist der Fall. Nur 26,1 Prozent der Mittelständler haben eine eindeutige Strategie für ihr Employer Branding und Konzepte für die Arbeitgeberkommunikation.
Das hat zur Folge, dass lediglich ein Viertel der Unternehmen nach eigener Auskunft ein klares Profil als Arbeitgeber hat (Studie Mittelstandskommunikation, 2015). Ein weiteres Viertel vermittelt seine Vorteile nicht an potenzielle Mitarbeiter.
Wie sieht Arbeitgeberkommunikation im Mittelstand aktuell aus?
Die Mehrheit der mittelständischen Unternehmen nutzt persönliche Kontakte, Online-Kommunikation und klassische Werbung, um potenzielle Kandidaten anzusprechen. Interessant dabei: die Unternehmen nutzen zwar diese Kanäle, halten sie aber nicht für besonders relevant. Das gilt insbesondere für Werbemittel, Stellenanzeigen und Social Media. Auch hier wird deutlich, dass es an klaren Zielsetzungen mangelt und es in der Umsetzung zum Teil große Lücken gibt.
Eigenes Agenda setting in Form von Publikationen zu Arbeitgeber- und Ausbildungsthemen setzt wiederum nur ein Viertel der mittelständischen Unternehmen ein. Ebenso wie Pressearbeit gehört das Corporate Publishing (der Fachbegriff für Unternehmenspublikationen) zu den einzelnen Maßnahmen, bei denen die Unternehmen selbst Nachholbedarf sehen.
Die Grafik macht deutlich, dass die Mittelständler durchaus eine Vielzahl von Maßnahmen einsetzen. Allerdings wird häufig drauflos kommuniziert, Maßnahmen werden situativ veranlasst und der rote Faden (die Strategie) fehlt.
In allen Bereichen der Arbeitgeberkommunikation sind mittelständische Unternehmen vergleichsweise weniger aktiv als Großunternehmen. Deutlich weniger nutzen sie die Instrumente Pressearbeit sowie Live-Kommunikation (Betriebsbesichtigungen, Teilnahme an Jobmessen etc.).
Fazit:
Der Mittelstand, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, nutzt sein Potenzial bei weitem nicht aus. Anstatt Geld in operativen Einzelmaßnahmen und Kampagnen zu versenken, sollten mittelständische Unternehmen langfristig denken und planen. Aufmerksamkeit ist gut, nützt aber wenig, wenn es ein Strohfeuer bleibt und die Maßnahmen nicht ineinander greifen. Um im „war for talents“ nachhaltig punkten zu können, brauchen mittelständische Unternehmen ein klares Profil als Arbeitgebermarke und eine schlüssige Strategie für das Employer Branding. Diese Investition in die Zukunft zahlt sich aus – vor allem dann, wenn die Erwartungen realistisch sind. Einstellungs- und Handlungsveränderungen wie sie bei potenziellen Kandidaten mit überzeugender Arbeitgeberkommunikation erwirkt werden sollen, sind immer mittel- bis langfristige Ziele und erfordern Kontinuität in der Kommunikation.
Angebot:
Wenn Sie mehr über das Thema Employer Branding wissen und lernen wollen, wie Sie für Ihr Unternehmen den Arbeitgebermarkenkern herausarbeiten, dann nehmen Sie gern Kontakt zu mir auf. Speziell für mittelständische Unternehmen habe ich einen Tagesworkshop zum Thema konzipiert. Gemeinsam bei Ihnen vor Ort erarbeiten wir die Kernfelder Ihrer Arbeitgebermarke und die Grundlage Ihrer Employer-Branding-Strategie. Interessiert? Dann freue ich mich auf Ihre Nachricht!
Über Harriet Lemcke
Harriet Lemcke ist Beraterin, Trainerin und Interim Managerin für Unternehmenskommunikation und Organisationsentwicklung und hat langjährige Erfahrung in der internen & externen Kommunikation sowie im Journalismus. In ihrer Arbeit verbindet sie moderne Ansätze in PR und Marketing mit Methoden und Ansätzen aus der Managementlehre und der systemischen Beratung. Sie unterstützt dabei, die Qualität und Effizienz von Kommunikationsprozessen zu verbessern und Ressourcen optimal einzusetzen. Sie haben ein Thema und wollen neue Impulse? Nehmen Sie jetzt Kontakt auf!
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