Haben Sie eine Ihrer wichtigsten Zielgruppen im Blick?

Unternehmen geben zum Teil erhebliche Summen für Marketing- und Werbekampagnen aus, um Bestandskunden zu binden oder neue Kunden zu gewinnen. Der Internetauftritt mutet professionell an, die Broschüren sind auf Hochglanz gedruckt und mehr als eine Agentur liefert Ideen für kreative Kundenansprache, emotionale Kampagnen oder Bilder, die im Kopf bleiben. „Wer nicht wirbt, der stirbt“ – der Werbeleitspruch aus früheren Jahrzehnten ist auch heute noch in den Köpfen vieler Entscheider präsent, so dass der Topf für externe Kommunikation alljährlich neu gefüllt und auf Hilfe von außen gesetzt wird.

Kunden sind für jedes Unternehmen wichtig, keine Frage. Ohne Kunden kein Umsatz, kein Geschäft. Mindestens ebenso wichtig sind jedoch die eigenen Mitarbeiter. Sie erfüllen das Produkt-, Service- und Markenversprechen des Unternehmens. Gelingt es nicht, sie zu erreichen, kann das Unternehmen langfristig wirtschaftlich nicht erfolgreich sein. Umso verwunderlicher ist es, dass viele Unternehmen in der internen Kommunikation in Gebräuchen feststecken und Routinen bedienen.

Interne Kommunikation: sechs häufige Schwachstellen

Wirft man als Externer einen Blick in die Unternehmen, fällt häufig sehr schnell auf, wo es hakt. Ein Indikator ist der Flurfunk. Je intensiver auf dem Flur hinter halb geschlossenen Türen gefunkt wird und je negativer der Tenor ist, umso größer der Handlungsbedarf. Im Folgenden liste ich einmal sechs Schwachstellen auf, die mir in meiner Tätigkeit als Beraterin und Interim Kommunikationsmanagerin immer wieder auffallen:

1. Menschen

Für mich der wichtigste Punkt überhaupt. Egal, ob es im Unternehmen einen Verantwortlichen für interne Kommunikation gibt oder nicht: interne Kommunikation ist immer auch mit der Person des Chefs verbunden. Viele Führungskräfte sind keine guten Kommunikatoren. Anstatt sich nun aber Gedanken darüber zu machen, wie Geschäftsführer und Fachbereichsleiter befähigt und motiviert werden können, bestmöglich mit den Mitarbeitern zu kommunizieren und diese adäquat zu informieren, grübelt man im Unternehmen darüber nach, wie offizielle Mitteilungen der Geschäftsführung im Intranet präsentiert werden,  wer das Editorial der nächsten Mitarbeiterzeitung schreibt oder wie das neue Plakat für die Cafeteria aussehen soll.
Hinderliche Kommunikationsroutinen fallen den Betroffenen häufig gar nicht auf (Betriebsblindheit) oder werden hingenommen. Ganz nach dem Motto: Der Chef ist eben so. Und wo der Fisch zu stinken beginnt, wissen Sie selbst.

2. Einblicke

In der externen Kommunikation verwenden viele Unternehmen viel Engagement darauf, die Bedürfnisse ihrer Kunden, deren Gewohnheiten, Interessenslage und Mediennutzungsverhalten zu ergründen. Unterschiedliche Zielgruppen werden typologisiert. Mit großem Aufwand wird analysiert, was diese antreibt und bewegt und wie man dieses Wissen für die eigene Unternehmens- und Marketingkommunikation nutzen kann. In der internen Kommunikation jedoch sucht man derartigen Forscherdrang vergebens. Stattdessen werden die Mitarbeiter wie eine große graue Masse behandelt. Es wird kommuniziert, was der Geschäftsleitung am Herzen liegt. Ist es auch das, was die Mitarbeiter tatsächlich interessiert? Häufig nicht. Untersuchungen dazu? Fehlanzeige! Interne Kommunikation findet in vielen Unternehmen in einer Black Box statt.

3. (Kreative) Leitidee

„Niemals ohne“, waren die Worte unseres Konzeptionsprofessors seinerzeit. Und tatsächlich: wenn es um Marketingkampagnen geht, beschäftigen Unternehmen gern Kreative und Agenturen, um DIE zündende Idee zu finden, die die eigene Marketingkommunikation auch im allgemeinen Grundrauschen hörbar und sichtbar macht. In der internen Kommunikation ist Kreativität für die meisten Unternehmen ein Fremdwort. Statt einer Idee, die die gesamte Kommunikation treibt, findet sich größtenteils Einwegkommunikation, die sich auf den nüchternen Transport von Informationen und Botschaften beschränkt. Rundmail statt interner Kampagne, Verlautbarung statt Storytelling, Push statt Pull und Absender- statt Empfängerfokussierung. Wen wundert es, wenn sich Mitarbeiter nur unzureichend wertgeschätzt und schon gar nicht emotional angesprochen fühlen? Viel wichtiger als das, WAS gesagt wird, ist in der Wahrnehmung meist das WIE.

4. Aufmerksamkeitswettbewerb

Der digitale Lebensstil mit Social Media und Co. hat die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen dramatisch verkürzt. Das hat eine Studie im Auftrag von Microsoft herausgefunden. Um Menschen mittels Kommunikation überhaupt erreichen zu können, muss der Funke also extrem schnell überspringen. Ich kenne Unternehmen, die eifrig die Mitarbeiterzeitungen von Mitbewerbern sammeln, um sich daran zu orientieren. Das eigene Blättchen konkurriert aber nicht mit dem der Mitbewerber am Markt, sondern mit sämtlichen anderen Medienangeboten, die den Mitarbeitern zur Verfügung stehen – vom Fachmagazin bis hin zur Illustrierten oder sogar der Kombination aus Couch und TV-Programm am Abend daheim. Gleiches gilt für das Intranet. Wenn Social Networks oder andere Plattformen mehr Mehrwerte (materieller Mehrwert, Mehrwert durch Information, Mehrwert durch Emotion) bieten, sind die Mitarbeiter mit großer Wahrscheinlichkeit lieber dort unterwegs. Interne Veranstaltungen wiederum konkurrieren mit anderen Events, die zeitgleich stattfinden und für die eigenen Mitarbeiter relevant sind. Aufmerksamkeit ist endlich. Wer sie gewinnen möchte, muss Relevanz erzeugen.

5. Silodenken

In der Praxis erlebe ich es häufig, dass alle nach besserer interner Kommunikation schreien, sich aber niemand berufen fühlt, selbst an einer Verbesserung mitzuwirken. Erst kürzlich wünschte sich ein Geschäftsführer während eines meiner Vorträge, dass sich die interne Kommunikation in seinem Unternehmen verbessern möge. Wünsche sind gut, doch wenn sie von einer Führungskraft kommen, die selbst kaum kommuniziert, dann darf daran gezweifelt werden, dass sich etwas ändert. Relevante und zum Teil brisante Themen für die interne Kommunikation kommen im Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Häufig werden in einzelnen Fachbereichen Informationen und Ideen regelrecht gebunkert anstatt geteilt. Mikropolitik wird einem guten Klima vorangestellt.

6. Fehlende Vernetzung und Kongruenz der Botschaften

Interne und externe Kommunikation scheinen in vielen Unternehmen rein gar nichts miteinander zu tun zu haben. Allenfalls so viel, dass die Informationen, welche das Unternehmen zum Beispiel mittels Pressearbeit herausgibt, in der internen Kommunikation aufgegriffen werden. Mitarbeiter sind jedoch eine gänzlich andere Zielgruppe als Medien. Fatal ebenso, wenn Investoren anders informiert werden als die Belegschaft oder diese von einschneidenden Ereignissen erst aus den Medien erfährt oder dadurch, dass es in Social Networks die Spatzen schon von den Dächern pfeifen.

Meine Erfahrungen decken sich dabei in Teilen mit den Beobachtungen der Kollegen Christian Arns und Mirko Kaminski. Die Diskrepanz zwischen der Innensicht einer Verantwortlichen für interne Kommunikation und der Außensicht ihres Aufgabenfeldes beschreibt Tanja Kampa in ihrem Gastbeitrag auf dem IK-Blog von Ulrike Führmann. Weitere Artikel zur internen Kommunikation von mir finden Sie hier und hier.

Fazit:

Interne Kommunikation als wesentlicher Faktor für Unternehmenserfolg und Wertschöpfung wird in vielen Unternehmen nach wie vor unterschätzt. Im anspruchsvollen Unternehmensalltag konzentrieren sich viele Unternehmen und Geschäftsführer auf Hard Skills und Markenkommunikation. Interne Kommunikation läuft mit, das Instrumentarium beschränkt sich häufig auf Mailings, Intranet, Mitarbeiterzeitung, Aushänge und Veranstaltungen. Zielgruppenanalyse und professionelle Konzeptionen findet man selten. Neue Technologien und Kanäle werden nur zögerlich probiert. „Kommunikation zahlt keine Rechnungen“, sagte einmal ein Geschäftsführer zu mir. Stimmt wohl. Kommunikation sorgt jedoch im besten Fall dafür, dass motivierte Mitarbeiter Bestleistungen vollbringen und Kunden glücklich sind.

Welche Erfahrungen machen Sie in der internen Kommunikation? Ich freue mich auf Kommentare und natürlich auch darüber, wenn Sie meinen Beitrag in Ihrem Netzwerk teilen.

Harriet Lemcke Über Harriet Lemcke
Harriet Lemcke ist Beraterin, Trainerin und Interim Managerin für Unternehmenskommunikation und Organisationsentwicklung und hat langjährige Erfahrung in der internen & externen Kommunikation sowie im Journalismus. In ihrer Arbeit verbindet sie moderne Ansätze in PR und Marketing mit Methoden und Ansätzen aus der Managementlehre und der systemischen Beratung. Sie unterstützt dabei, die Qualität und Effizienz von Kommunikationsprozessen zu verbessern und Ressourcen optimal einzusetzen. Sie haben ein Thema und wollen neue Impulse? Nehmen Sie jetzt Kontakt auf! Zum Beratungsangebot

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6 Gedanken zu „Haben Sie eine Ihrer wichtigsten Zielgruppen im Blick?“

  1. Hallo Frau Lemcke,

    Habe länger gebraucht!
    Nette Idee, die Lesezeit anzugeben, aber ich habe an manchen Stellen noch mal nachgelesen und mir das Geschriebene bewusst gemacht. Denn es ist sehr interessant, was Sie da über Kommunikation schreiben. Vieles unterschreibe ich direkt und….gerne. Manches war mir bislang nicht bewusst und ist es jetzt.

    Danke für einen gut lesbaren und nachvollziehbaren Artikel mit neuen Impulsen, auch oder gerade für mich als Kommunikationstrainer und -blogger.

    BG

    Jörg

    Antworten
    • Moin Herr Unkrig,

      ich dachte mir, wenn die Lesezeit angegeben ist, dann wissen Sie, worauf Sie sich einlassen und ob Sie gerade jetzt Zeit und Muße haben, um sich mit dem Inhalt zu beschäftigen. :-) Zum Glück muss ich diese nicht selbst berechnen. Das übernimmt natürlich ein elektronisches Helferlein.

      Vielen Dank für Ihr Feedback. Es freut mich, dass Sie etwas für sich mitnehmen konnten. Und noch dazu, da Sie vom Fach sind. :-)

      Herzliche Grüße,
      Harriet Lemcke

      Antworten
  2. Hallo Frau Lemcke,

    ich habe Ihren Beitrag über die interne Unternehmenskommunikation gelesen und fand ihn nicht nur interessant sondern auch hilfreich.
    Können Sie Literatur (Beiträge, Blogs, Artikel…) empfehlen, die sich u.a. damit beschäftigt, was in der internen Kommunikation in Unternehmen in der letzten Zeit funktioniert hat und was nicht?

    Viele Grüße

    Antworten
    • Moin Frau Kolda,

      es freut mich, dass mein Beitrag für Sie hilfreich ist und vielen Dank für das Lob. Sie fragen nach Literatur. Zunächst einmal empfehle ich Ihnen an dieser Stelle den Blog von Ulrike Führmann (www.ik-blog.de), welchen ich bereits in meinem Artikel erwähnt habe. Zum anderen finden Sie Anregungen bestimmt auch im Blog von Frank Hamm (www.injelea-blog.de) oder auf http://www.interne-kommunikation.net. Als Literatur kann ich Ihnen – ebenfalls von Ulrike Führmann in Zusammenarbeit mit Klaus Schmidbauer (siehe mein Artikel: http://pr-perlen.de/kommunikation-digitaler-zugvogel/) – das Buch “Wie kommt System in die interne Kommunikation?”. Das Buch erscheint demnächst in einer Neuauflage und wird auch Thema hier auf meinem Blog sein. Es lohnt sich also, öfter einmal reinzuschauen. :-) Ich denke auch darüber nach, Ihre Frage zum Anlass zu nehmen, eine Liste mit aus meiner Sicht lesenswerten Blogs zum Thema zu erstellen. Schauen wir mal.

      Herzliche Grüße,
      Harriet Lemcke

      Antworten
  3. Hallo Harriet,

    eine gute Auseinandersetzung mit dem Thema Kommunikation und leider wahr. Der Satz “Kommunikation zahlt keine Rechnungen” stimmt zwar, aber mit einer guten Kommunikation kann man Zeit und Geld sparen. Nehmen wir mal als Beispiel einen Kundenauftrag, wo Verkauf, Produktion, Marketing, Versand und Buchhaltung zusammenarbeiten müssen, weil verschiedene Dinge geklärt werden müssen wie die Lieferfrist, Einräumen einer Ratenzahlung, eine spezielle Verpackung, Produktinformationen, etc. Eigentlich müssten alle zusammenarbeiten und sicherstellen, dass der Kundenauftrag zur Zufriedenheit erfüllt wird. Denn letztendlich zahlt der Kunde alle Gehälter. Leider arbeiten die meisten Abteilungen quasi für sich und kommunizieren nicht richtig miteinander, um gemeinsam eine Lösung für irgendein Problem zu finden. Und wie Du schreibst, die Kommunikation fängt oben an und die Abteilungsleiter oder Geschäftsführung müssen mit gutem Beispiel vorangehen. Delegation, Übertragung von Verantwortung, Vertrauen und Wertschätzung sind wichtige Punkte dabei. Schwierig ist, wenn die eine Seite kommunikationsbereit ist, die andere Seite aber blockt.

    Viele Grüße
    Claudia

    Antworten
    • Hallo Claudia,

      vielen Dank für dein anschauliches Beispiel. In der Tat stelle ich in der Praxis häufig eine Diskrepanz zwischen dem, was kommuniziert wird und der Haltung bzw. dem Verhalten des Unternehmens (und des Managements) fest. Und ja, das Silodenken ist leider weit verbreitet.

      Viele Grüße,
      Harriet

      Antworten

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